Ansgar Hantke

psychotherapeutische Praxis

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In der Psychotherapie stellt das Thema Abschied einen integralen Bestandteil des Reifungs-und Entwicklungsprozesses des Klienten dar. Denn Abschied setzt voraus, dass der Mensch ein sicheres und stabiles Bild von seinem Gegenüber, dem anderen,-wie wir es nennen-dem Objekt entworfen hat. Dies ist allerdings nur möglich, wenn das Individuum eine halbwegs sichere Bindung zu seinen primären Bezugspersonen erfahren haben durfte. Trifft dies nicht zu, verliert das Bild vom Gegenüber an Stabilität und Sicherheit, es werden nur Aspekte der Persönlichkeit, ein ganz unscharfes Bild entwickelt. Dieses unscharfe Bild-ähnlich einem unvollständigen Puzzle-schaffen wir Menschen kaum zu integrieren. Es fehlt was, und so scheint unser Geist zu funktionieren, was ergänzt oder zum Abschluss gebracht werden muss, bevor wir es wieder aufgeben können.

Und so funktioniert dann Psychotherapie: zunächst müssen die fehlenden Puzzleteile oder Lücken entdeckt werden. Übersetzt heißt das, der Klient darf lernen, genau hinzusehen, um sein Verleugnen, seine Spaltung oder seinen Verdrängungsprozess aufzugeben. Die Entdeckung dieser fehlenden Puzzleteile ist üblicherweise ein sehr schmerzhafter seelischer Akt, dem Klienten wird das unscharfe Bild und der damit erfahrene Mangel (an Fürsorge, Sicherheit, Autonomie, Loyalität, Individuation etc.) bewusst. Die Bewusstwerdung des Mangels und die damit verbundene Unabänderlichkeit der eigenen Geschichte erzeugen den Wunsch, das Verlangen, die Situation im Hier und Heute zu korrigieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt, tendiert gegen Null. So bleibt dem Klienten nur, diese ursprüngliche nicht erlebten Bedürfnisse oder Wünsche mit den damit verbundenen Gefühlen (in erster Linie Trauer und Wut) aufzugeben. Trauer und Wut sind schließlich probate Mittel, den Abschiedsprozess erfolgreich zu meistern.

In jeder Psychotherapie spielt Abschied eine Rolle. Manchmal steht dieser ganz zentral im Fokus und wird von Beginn an bearbeitet. Psychotherapie muss auch dem Abschied eine so immens wichtige Bedeutung geben, da sie selbst irgendwann endet, der Klient mit dem Abschied sein Leben selbst meistern muss. So sollte der Klient von dem Therapeuten im Rahmen der Psychotherapie ein zunehmend klares und stabiles Bild erhalten, damit Abschied gelegt. Eine Herausforderung stellt die Angst des Klienten dar, sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu geben, dass er so antizipiert, ohne Therapeuten nicht mehr klar zukommen. So achtet der Therapeut darauf, dass der Klient seinen Wunsch nach Autonomie bei gleichzeitigem Wunsch nach Fürsorge und Sicherheit in Balance hält. Das Gelingen des Abschieds stellt insofern die Arbeit des Therapeuten und das Bild über sein Beziehungskonstrukt infrage und zur Bewertung frei.

Affektregulierung ist alles. Alles ist Affektregulierung. Affektregulierung bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, seine Gefühle in bestimmten Maßen zu begrenzen. Affektregulierung bedeutet nicht, bestimmte Affekte (zum Beispiel Wut) auszuschließen (dies nennt man Affektisolierung), sondern den inneren und äußeren Bedingungen angemessen zu artikulieren. Ursprünglich entstammend aus der Funktion der primären Beziehungs - und Bindungspersonen im Kontakt mit dem Säugling, bildet die Affektregulierung eins der wesentlichen Werkzeuge in der Auseinandersetzung zwischen den eigenen Bedürfnissen und den Erfordernissen der Umwelt. Zu Beginn unseres Daseins ist es das Gesicht des Gegenübers (Mutter oder Vater), das adäquat auf die Äußerungen des jungen Lebens zu reagieren hat. Dabei muss die Beziehungs – bzw. Bindungspersonen eine Vorstellung über die im Säugling generierten Affekte haben sowie ein Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten, um adäquate Resonanz anzubieten. Dies nennt sich Spiegeln. Dabei muss für den Säugling erkenntlich sein, dass der Affekt nicht wirklich dem des Gegenübers entspricht, sondern eine Art Übertreibung darstellt (Ammensprache oder Babytalk), um ihn als seinen eigenen Gefühlszustand integrieren zu können. Hier bestehen reichlich Irritationsmöglichkeiten, die die Beziehung zu den primären Bindungspersonen stören können. Wenn primäre Bindungspersonen zum Beispiel eigene nicht gelöste Konflikte mit in die Beziehung zum Säugling herein bringen, kann dieser mit den Gefühlen der Bindungspersonen konfrontiert und damit überflutet werden, was zu Angst führt. In der Folge kann dies zu Störungen der Affektregulierung führen, praktisch übersetzt bedeutet dies, das kleine Wesen entwickelt kein ausreichend funktionierendes Werkzeug, um den aus ihm heraus produzierten Affekten Einhalt zu gebieten. Natürlich geschieht dies nicht nach einem einmaligen Ereignis, sondern braucht – wie wir wissen – zu Beginn des Lebens viele Wiederholungen, um zu bleibender Irritation zu führen. Zum Beispiel wird eine unsichere oder ängstliche Mutter möglicherweise die Bindungswünsche des Säuglings dahingehend missinterpretieren, dass sie einerseits die Angst des Säuglings verstärkt (durch die eigene Angst), andererseits aus Sorge, etwas falsch zu machen, den Säugling zu eng bindet, indem sie diesem Gefühlszustände zuschreibt, die der Mutter entstammen und nicht dem Säugling. Hingegen werden eher depressive Mütter mit der Traurigkeit und der Wut des Säuglings Schwierigkeiten haben, werden diesem eher und häufiger Traurigkeit zu schreiben und entsprechend trösten, obwohl der Säugling zum Beispiel aufgrund seiner Wut, Distanz benötigt. In diesen beiden zwei ausgewählten Fällen wird der Mensch in seiner Entwicklung Defizite in seiner Affektregulierung erleben, die er später zu korrigieren hat, um in Beziehungen zu anderen Menschen zu funktionieren. Denn der in Wut geratene Säugling benötigt Halt, der ängstliche Beruhigung und der traurige Trost. Diese Gefühlszustände sollten primäre Bindungspersonen unterscheiden und von denen, die ihnen angehören trennen können.

Die Affektregulierung nimmt sehr viel Platz in unserem Leben ein. Sie hilft nicht nur bei der Entscheidungsfindung für jedes Individuum, sondern – wie wir heute wissen – ist auch beteiligt an der Konstituierung des Selbst, dem Anteil unseres Daseins, indem wir unser Ich sehen, unsere Persönlichkeit.

 

Dysfunktionale Denk – und Verhaltensmuster sind konsequente Folgerungen aus Glaubenssätzen (s. "Wesentliche Aspekte von Glaubenssätzen"). Sie sind überwiegend unbewusst (“die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut”). Sie verhalten sich zu den Glaubenssätzen “kreisförmig”, das heißt, sie bestätigen sich gegenseitig.

Wenn ich z.B. der Überzeugung bin, dass mich keiner mag oder sich nicht für mich interessiert, dann werde ich unbewusst dafür Sorge tragen, dass dies auch so eintritt (was auch gern als “Selbsterfüllende Prophezeiung” bezeichnet wird). Ich werde mich anderen Menschen gegenüber zurückhaltend verhalten, verschlossen sein oder gar zurückweisend. Dies führt dazu, dass der Gegenüber sich tatsächlich (häufig nach mehrfacher Frustration) nicht mehr interessiert und den Glaubenssatz dadurch bestätigt. Konsequenterweise nimmt der Betroffene dies als fehlendes Interesse der Umgebung an seiner Person wahr. Er überprüft hier den Blickwinkel des Anderen nicht, wozu er sich mit diesem identifizieren müsste oder reflektiert auch seine Sicht der Dinge nicht, was als Verleugnung bezeichnet wird. Er sieht seine Situation als gegeben an oder geht davon aus, dass er Opfer der Umstände sei. Dieses fatalistische Denken ist mit ein Grund, weswegen Menschen so schwer aus ihrer Depression herauskommen. Wie könnte man einem “Opfer” unterstellen, seine “Finger im Spiel” zu haben? Diese Menschen erleben es eher als Unverschämtheit, dass jemand auf die Idee kommt, ihm eine Absicht zuzuschreiben. Tatsächlich steckt in dem Glaubenssatz auch eine Art “Motor”, quasi die Motivation, immer und überall in der Außenwelt seinen “Glauben” bestätigt zu bekommen. Bei genauerer Erforschung stellt sich bei jedem Patienten aber heraus, dass es Ausnahmen von der Regel (Glaubenssatz – dysfunktionales Denkmuster) gibt. Diese werden gern verleugnet, verdrängt oder gar abgespalten. Erst durch vorsichtige Konfrontation mit diesen Ausnahmen fällt dem Betroffenen die Brüchigkeit seiner Gewissheit, seines Glaubenssatzes auf. Unter der Therapie werden die Ausnahmen von der Regel also aufgedeckt (“Realitätsprüfung”). Je nach Persönlichkeit stoße ich damit als Therapeut auf unterschiedlich starke Abwehrformationen. Teilweise wird kurz nach der Aufdeckung sogar wieder das Geäußerte verleugnet. Freud sprach nicht umsonst vom “Durcharbeiten”, was heißt, dass es wiederholter Konfrontation bedarf, damit der Klient erkennt, dass sein Glaubenssatz nicht wahr ist, wahrscheinlich noch nie wahr war! Das Entsetzen darüber oder das Entdecken der tatsächlichen Inszenierung führt üblicherweise zu starker emotionaler Reaktion.

Es gibt verschiedene Strategien in der psychotherapeutischen Arbeit, den psychotherapeutischen Prozess in Gang zu bringen. Hier stelle ich Ihnen die Arbeit mit dem Inneren Kind vor.

 

Der Begriff des Inneren Kindes ist vielen Klienten bereits vor Therapiebeginn bekannt, schon deswegen wohl, weil intuitiv jeder erahnen dürfte, was gemeint ist: der eine nennt es “meine innere Stimme“, „die Stimme in mir” oder „mein Bauchgefühl“. Es ist das, was fernab vom logischen Denken in uns existiert oder anders ausgedrückt, die Irrationalität jeder Persönlichkeit per se darstellt.

Dennoch möchte ich hier ein paar kurze Anmerkungen zur Definition hervorbringen:

 1)Das Innere Kind als lebendige Vorstellung, Abbild oder Gedächtnisspur, quasi als Fotografie der ersten Lebensperiode, der Kindheit (“so war ich”)

2)Das Innere Kind als Erlebniswelt, als die Summe aller Impulse, Gefühle und Erfahrungen mit allen seinen Kränkungen, Bestrafungen und Selbstvorwürfen (“das habe ich erlebt”)

3)Das Innere Kind als Bindungspartner, das im Hier und Jetzt nackt und unverhohlen dem Erwachsenen sein Erleben und seine Bewertung präsentiert (“das ist meine Haltung”)

Hier in Anlehnung an die Freud`sche Triebtheorie am ehesten das “ES

4)Das Innere Kind als Ressourcenquelle (“das sind meine Pfeiler”)

5)Das Innere Kind als Äquivalent zu allen ersehnten, aber nicht gelebten Bedürfnissen und Wünschen (“das hätte ich gern”)

 

Voraussetzungen für die Arbeit mit dem Inneren Kind sind:

a)ausreichend Fantasie und Vorstellungskraft

b)ausreichende psychische Stabilität (eine schwere depressive Episode oder eine ausgeprägte Angststörung stellt eine Kontraindikation dar)

 In einem ersten Schritt werde ich Sie als Psychotherapeut auffordern, sich in zwei Personen zu denken (zu spalten): das “Erwachsenen Ich” und das “Kind Ich” (im folgenden Inneres Kind). In einem zweiten Schritt folgt dann die Aufnahme eines Dialogs zwischen Ihnen und Ihrem Inneren Kind, zwischen Psychotherapeut und Ihnen oder auch zwischen Psychotherapeut und Ihrem Inneren Kind. Dabei geht es nicht nur um das Erkunden der Erlebniswelt des Inneren Kindes, sondern auch und vor allem um den Umgang des Erwachsenen mit dem Inneren Kind und umgekehrt. Da ich mit der Bindungstheorie (s. dort) arbeite, findet sich häufig hier bereits schon der Ausdruck des gesamten Krankheitsgeschehens. Denn der Schlüssel zu diesem Vorgehen ist so einleuchtend wie auch einfach: Sie als Klient gehen häufig mit Ihrem Inneren Kind genauso (z.B. desinteressiert) um, wie ursprünglich ihre Eltern/Vater/Mutter als Erwachsene mit Ihnen (z.B. desinteressiert) umgegangen sind. So werde ich Sie in einem dritten Schritt bitten, sich jeweils in die eine wie in die andere der beiden Personen hineinzufühlen. Dieser Switch kann relativ mühsam sein, da sich meistens aus Richtung des Erwachsenen Ich eine Art Sperre (in der Psychotherapie als Widerstand bezeichnet) zeigt, um eben nicht in die Erlebniswelt des Inneren Kindes vorzudringen. Dieser Widerstand ist eine Art Schutz, um das Nachaußendringen von unangenehme Gefühlen (z. B. seelischer Schmerz des Inneren Kindes) in die Erlebniswelt des Erwachsenen zu verhindern. Gleichzeitig ist allerdings die Verbindung der beiden miteinander die Lösung der Schwierigkeiten in der Beziehung und damit Ihres Krankheitsgeschehens. Anders ausgedrückt: Kommen Ihr Inneres Kind und Sie zusammen, ist bereits ein großer Schritt im psychotherapeutischen Prozess vollzogen. Das Ziel nämlich ist, dass Sie Verständnis für das Erleben und das Erlebte Ihres Inneren Kindes erfahren. In einem letzten Schritt gilt es dann nach Ihrem Inneren Kind zu gucken, in wiefern es nun Vertrauen zu Ihnen als Erwachsenen gefasst hat. Sollte dieses noch nicht erreicht sein, wiederholen sich die letzten Schritte so lange, bis das Ziel erreicht ist:

 

 1)Verständnis (Verständnis meint hier ausdrücklich das umfangreiche Verstehen einschließlich des Einfühlenkönnens) des Erwachsenen in das Innere Kind und

2)Vertrauen des Inneren Kindes in den Erwachsenen

 Nebenbei:

Es gibt ein organisches Korrelat, was unter der Arbeit mit dem Inneren Kind profitiert: die Verbindung zwischen dem limbischen System (Inneres Kind) und dem präfrontalen Kortex (Erwachsenen Ich). Durch den psychotherapeutischen Prozess werden neue Verbindungen zwischen diesen beiden Zielorten geknüpft, erneuert bzw. alte intensiviert.

 

 

 

 

Seelische Störungen haben eine Funktion, einen Sinn, einen Zweck, eine Absicht

Oder auch eine Dysfunktion, also Fehlfunktion, weil das Ergebnis mit der Inkaufnahme von Beschwerden/Symptomen, ja durchaus schwerwiegenden Erkrankungen einhergeht. Dies werde ich im Folgenden erläutern.

Soweit ich weiß, habe ich diesen Gedankengang, dass psychische Störungen einen Sinn haben, in dieser Form noch nie so klar beschrieben. Nicht zuletzt spreche ich damit wieder einmal etwas an, was allgemein kein Kulturgut unserer Gesellschaft sein dürfte. Denn "Kranksein" (und damit sind nicht explizit nur körperliche Störungen oder Erkrankungen gemeint) wird hier zulande als einen ohne eigenes Verschulden entstandenen, bemitleidenswerten, unfreiwilligen und vor allem unerwünschten körperlichen, seelischen oder geistigen Zustand verstanden.

Ohne eigenes Verschulden? Nun, wer genauer hinsieht, entdeckt, dass viele, vielleicht sogar die meisten Erkrankungen "hausgemacht" sind. Ein Großteil der Herz-Kreislauf Erkrankungen wird durch zu fettreiche, wenig ballaststoffreiche Ernährung, durch fehlende körperliche Bewegung und Nikotinabusus hervorgerufen. Die Zuckerkrankheit ist häufig durch die o.g. Lebensweise bedingt, die COPD (chronisch verengende Bronchitis) durch so gut wie nur das Rauchen. Selbst das Bronchialkarzinom findet sich am häufigsten als Folge eines langjährigen Nikotinabusus.

Wenn ich denn nun das eigene Verschulden am eigenen Leid enttabuisiere, so werde ich dies auch hinsichtlich des angeblichen unfreiwilligen und unerwünschten Zustandes tun. Denn – wie ich schon in einem früheren Vortrag erwähnte – hat der Rentenversicherungsträger als einer der ersten Institutionen den Begriff des "sekundären Krankheitsgewinns" formuliert, was bedeutet, dass hinter einem Zustand einer seelischen Erkrankung auch eine Absicht stecken kann. Also lag somit schon vor Jahrzehnten ein in unserer Gesellschaft als Tabu zu bezeichnendes Thema auf dem Tisch. Umso erstaunlicher, dass dieses Thema dennoch ein Tabu in unserer Gesellschaft darstellt. Es findet m.E. keine Debatte über Menschen in unserem Land statt, die sich durch ihre Erkrankung bewusst oder unbewusst erhoffen, berentet bzw. aus dem Arbeitsleben herausgenommen zu werden. Und diese Zahl dürfte nach meiner Einschätzung groß sein.

Doch nun wieder zurück zu dem Sinn und der dahinter verborgenen Absicht seelischer Störungen.

Dazu folgender Gedankengang:

wir Ärzte und Psychologen pflegen die "Freud`sche" Kultur, dass jeder Erkrankung eine Ursache zugrunde liegt. Wir sprechen von Ätiologie. Befremdlich erscheint hingegen die Überlegung, dass eine Erkrankung nicht eine Ursache, sondern ein Ziel verfolgt, also intentional gedacht werden muss. (So dachte übrigens schon Alfred Adler, ein Mitschüler von Sigmund Freud. Während Freud die Psychoanalyse begründete, entwickelte Adler die Individualpsychologie). Heute wissen wir, dass Erkrankung nicht nur eine Ursache haben, sondern auch intentional gerichtet sein kann, insbesondere da, wo sie ihre psychosomatische oder psychische Natur offenbart. Grundlage bildet dabei das Wissen, dass das Handeln des Menschen immer motiviert ist, einer Absicht folgend. Diese Motivation kann bewusst, nahe bewusst oder unbewusst sein. Je ausgeprägter und unbeweglicher (wir sprechen in der Psychologie von "rigide") eine Person in ihrer Gewissensbildung (Über-Ich) ist, je mehr Tabu`s bestehen, um so mehr müssen insbesondere aggressive und sexuelle, gesellschaftlich "verwerfliche" Motivationen in das Unbewusste "abtauchen". In der Folge "weiß die rechte nicht, was die linke (Hand) tut."

 

Beispiele:

 

1)Eine Patientin kommt wegen Ängsten und Unruhe in die Praxis. Sie fühle sich niedergeschlagen und interessenlos nachdem sie erfahren hätte, dass ihr Sohn nach anfänglichem Erfolg den Schulabschluss doch nicht erreichen würde. Auf Nachfrage erfahre ich weiterhin, dass der Ehemann für die Patientin überraschenderweise in den Vorruhestand gehen und nun erwarten würde, dass die Ehepartner reisen und das Rentendasein genießen. Die Patientin wird in der Folge zunehmend depressiv, sucht die Ursache ihrer Beschwerden in der Vergangenheit und meint dort auch einen Grund gefunden zu haben. Doch es ändert sich nichts an ihrer Situation. Erst nachdem verständlich wird, dass die Patientin sich durch den Vorruhestand des Ehemannes und des nun notwendigen längeren Schulbesuches und damit der Abhängigkeit des Sohnes vom Elternhaus in ihrer so ersehnten Autonomie (Selbständigkeit) bedroht fühlt, ergibt sich ein rundes Bild: die Ängste und Depression dienen hier dem Zweck, die für die Patientin "verwerflichen Inhalte" (sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern, sich gegen den anderen zu stellen oder durchzusetzen) zu vergessen und die Angehörigen vor der Wut der Patientin (die sie als destruktiv phantasiert) über den drohenden Verlust der Autonomie zu schützen. Gleichzeitig sorgt die depressive Patientin auf diese Weise dafür, dass "man Rücksicht nimmt und Verständnis hat." Ihr ist ihre eigene Aggressivität, die dadurch kenntlich wird, dass der Ehemann nun nicht mit der Patientin reisen kann, er gar daran gehindert wird, nicht bewusst. Sie erreicht beim genauerem Hinsehen sogar ein Stück Autonomie, in dem ihr Partner sie "in Ruhe" lässt. Würde Sie sich des Konfliktes bewusst sein, würde sie ihre Wut äußern, kann sie davon ausgehen, dass es Auseinandersetzungen mit dem Partner und dem Sohn geben würde, in dessen Folge die Beziehung in Frage gestellt werden könnte.

 

2)Eine weitere Patientin stellt sich ebenfalls mit Symptomen einer Depression in der Praxis vor. Die Krankheitsgeschichte ergibt, dass der Beginn der Beschwerden noch gar nicht solange zurück liege. Nach mehreren Gesprächen wird der Auslöser der Patientin klar: der Ehemann sei in Rente gegangen. Dieser sei jemand, der von der Patientin verlangen würde, dass diese ihn bei allen geschäftlichen Angelegenheit zu begleiten wünscht. Der Patientin ist dies allerdings zuwider, sie interessiere sich nicht für dessen Geschäfte. Sie könne sich gegen seine Forderung, ihn zu begleiten, nicht wehren. Hier wird zum Zeitpunkt des Rentenbeginns die Depression notwendig, weil nun die Erwartung des Ehemannes an die Patientin ein Maß überschreitet, dass die Patientin nicht ertragen könne. Für die Patientin ist jedoch das Weigern so schuldbehaftet, dass sie depressiv werden muss. Durch die Depression erreicht sie dann das, was im vorigen Fall bereits beschrieben wurde: sie muss nun den Ehemann nicht mehr begleiten, weil dieser wegen der Depression von der Patientin nicht verlangen kann, dass sie ihm zur Seite steht. Die Depression ist quasi die Legitimation für die Weigerung.

 

3)Ein weiterer Patient klagt über Freud – und Lustlosigkeit, Antriebsarmut und Traurigkeit. Gleichzeitig bestehen Ängste. Aus der Krankheitsgeschichte wird früh ersichtlich, dass der Patient sich schlecht durchsetzen kann, ja sogar unterwürfig erscheint. Wenn die Partnerin etwas verlangen würde, setze er das mit Murren, aber auch sofort um. Auf die Frage, warum er sich nicht zur Wehr setzen würde, äußert er betrübt, dass ihm der Mut fehlen würde. Im Verlauf der Therapie werden alle Register gezogen, allerdings alles ohne Erfolg. Erst als klar wird, dass der Patient vor seinem eigenen Gewissen aufgrund massiver Schuldgefühle nicht aufbegehren darf, kommt eine böse Ahnung auf. Immer wieder zeigen sich nämlich Situationen, in denen er sich indirekt gegen die Forderung der Ehefrau stellt. So geht er mit der Tochter – obwohl von der Partnerin abgelehnt – aufgrund eines Sprachfehlers zur Logopädie. Aber nur dann, wenn die Frau aufgrund einer Dienstreise nicht anwesend ist. Die Erfolglosigkeit der Therapie findet schließlich genau darin ihre Ursache: die Partnerin hält nichts davon, dass der Patient sich regelmäßig psychotherapeutisch behandeln lässt. Der Patient braucht die Sitzungen unter dem Vorwand, dass er seine Depression und Ängste behandelt. Ihm ist nicht bewusst, dass er so sich gegen die Herrschaft der Frau stellt und aufbegehrt. Er kann hier mit "reinem Gewissen" seine wirklichen Motive leugnen. Als "Nebenbeieffekt" ärgert sich die Ehefrau, womit er sein Ziel, den Ärger über die Unterwerfung zu äußern, erreicht. ("Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut").

 

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Wesentliche Aspekte von Glaubenssätzen

 

  • Glaubenssätze sind Gewissheiten, Überzeugungen, über die der Einzelne gar nicht „groß“ nachdenkt. Sie sind überwiegend unbewusst oder nur teilweise bewusst. Sie sind so selbstverständlich „wie das Amen in der Kirche"

 

  • Ihren Ursprung finden wir in der Geschichte jedes einzelnen Menschen. Sie sind das Ergebnis eines suboptimalen zunächst bewussten (was übrigens einen Zugang zu der Behebung deren genutzt werden kann) Anpassungsprozesses des Menschenkindes an seine Umgebung, insbesondere des familiären Umfeldes. Erst mit dem Fortschreiten der Entwicklung und damit der Kindheit wird dieser Anpassungsprozess und die damit verbundenen Glaubenssätze unbewusst, sie werden Bestandteil eines Automatismus, so wie wir beim Gehen und Fahrradfahren nicht mehr darüber nachdenken, wie wir Schritt für Schritt machen oder das Gleichgewicht halten müssen

 

  • Jeder Mensch hat mindestens einen Glaubenssatz

 

  • Typisch an Glaubenssätzen sind deren absolute und scheinbar unwiderrufliche Gesetzmäßigkeit. Sie wird nicht in Frage gestellt und „logischerweise“ gehen wir deswegen bei Problemen oder Konflikten genau so vor, wie die Glaubenssätze uns es „weismachen“: wie wir es immer gemacht haben, sind wir überzeugt, sei es immer richtig gewesen. Das Ergebnis früherer Konfliktlösungen, die auf einem Glaubenssatz beruhen, wird nicht überprüft oder nach Alternativen gesucht

 

  • Glaubenssätze führen unweigerlich zu einer Erwartungshaltung, die die Wahrnehmung verzerrt. Dabei ist uns auch diese Wahrnehmungsverzerrung nicht bewusst. Wir können sie aber als Außenstehende erahnen oder daran erkennen, dass der Betroffene scheinbar „stur“ an etwas festhält oder „starrsinnig“ Aspekte ausblendet, die offensichtlich eine Lösung behindern. Diese Erwartungshaltung findet seine Begründung darin, dass der Betroffene sein Augenmerk auf die Bestätigung des Glaubenssatzes legt und Aspekte, die dem Glaubenssatz nicht entsprechen aus der Wahrnehmung und schließlich aus dem Gedächtnis löscht

 

  • Glaubenssätze sind mächtig und zwar so mächtig, dass Menschen im Gesunden selten bereit sind, diese aufzugeben, obwohl deren Begrenztheit offensichtlich erscheint. Dies ist ein ganz wesentlicher Aspekt, der erklärt, weswegen Menschen erst in seelischer Not bereit sind, ihre Glaubenssätze in Frage zu stellen

 

 

Beispiele:

 

wenn ich mich öffne und meine Schwächen zeige, fallen ich dem anderen zur Last“

wenn ich mich mit meinen Wünschen offenbare, stelle ich fest, dass der andere nicht wirklich an mich interessiert ist“

wenn ich mich nicht zu 200% einsetze, nimmt mich der andere nicht wahr“

wenn ich mich echt zeige, bin ich für den anderen nicht zu ertragen oder auszuhalten“

wenn ich nicht die Rolle des Kaspars spiele, sind die anderen traurig oder missgestimmt“

wenn ich nicht laut genug schreie, hört mich keiner“

Wenn ich Position beziehe, gehe ich davon aus, dass der andere mir böse ist oder mich zurückweist”

wenn ich mich mit jemanden auseinandersetze, ziehe ich immer den Kürzeren”

egal, wie ich mich auch anstrengen mag, ich kriege es nicht hin”

wenn ich alles allein schaffe, dann brauche ich keinen und mich kann keiner verletzen”

wenn ich Trost suchen würde, würde ich mich klein fühlen und bedürftig erleben”

ich habe mich nie entwickelt, und weil ich mich nie entwickelt habe, bin ich auf Gedeih und Verderb von der Willkür des anderen abhängig“

 

Wie Sie unweigerlich an den Glaubenssätzen erkennen, haben diese für das Denken, Handeln und Fühlen Konsequenzen. Wenn Sie z.B. denken, dass Sie jemanden zur Last fallen, wenn Sie sich öffnen, hat das zur Folge, dass sie sich eben nicht offenbaren. Sie haben dann zwar die Bestätigung, dass Sie vielleicht dem anderen nicht zur Last fallen, gleichzeitig machen Sie aber nicht die wichtige Erfahrung, dass es anders sein kann, dass Sie z.B. dem anderen eben nicht zur Last fallen oder Ihnen sogar Interesse entgegen gebracht wird. Insofern sind Glaubenssätze Mauern, die Sie hindern, neue Erfahrungen zu machen. Die aus ihnen folgenden Konsequenzen mit der Folge der Erwartungen an die Außenwelt nennen wir „Dysfunktionale Denk - und Verhaltensmuster“ (s. Beitrag)

 

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