Mit dem 1. Januar 2023 besteht nun für jede Praxis die Verpflichtung, Krankmeldungen digital zu erstellen und zu versenden (eAU). Dieser Verpflichtung wird die Praxis nicht nachkommen. Wie ich bereits schon in meinen früheren Beiträgen signalisiert habe, halte ich im wesentlichen für falsch, dass hier Verantwortung des Arbeitnehmers/Patienten an andere Institutionen abgegeben wird. Gleichzeitig macht sich dadurch der Arbeitnehmer/Patient abhängig von diesen Institutionen. Um dies zu verstehen, gebe ich Ihnen nun einen Überblick über das geplante und zukünftige Vorgehen bei der Erstellung bzw. Versendung der digitalen Krankmeldung:
Zunächst wird die Krankmeldung des Arbeitnehmers/Patienten durch den Arzt über dessen Software erstellt. Wie bisher druckt der Arzt diese auch aus, der Patient erhält somit einen Beleg für seine Krankschreibung. Diese besteht allerdings nicht mehr aus drei Blättern (Versicherter, Krankenkasse, Arbeitgeber), sondern nur noch aus einem Blatt, allein für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit. Im nächsten Schritt muss der Arzt diese Krankmeldung digital signieren, um sie an die Krankenkasse zu versenden (wie sich bei Kollegen gezeigt hat, kostet dieses Vorgehen mehr Zeit als das bisherige einfache Ausdrucken). Der Arbeitnehmer/Patient muss – wie bisher - dann seinen Arbeitgeber informieren (zum Beispiel per Telefon), dass er arbeitsunfähig und krankgeschrieben ist. Diese Mitteilung an den Arbeitgeber gibt diesem das Recht, die Krankmeldung des Patienten von dessen Krankenkasse digital abzurufen.
Fehlerquellen: wie bereits schon der Hausärzteverband prophezeit, wird die Einführung dieser digitalen Krankmeldung (eAU) „holprig“ werden. Das Signieren und Versenden der Krankmeldungen kostet der Arztpraxis – wie Kollegen berichten – deutlich mehr Zeit, weshalb geraten wird, dies nach der Sprechstunde durchzuführen. Dazu muss ja auch noch die Krankmeldung als Beleg für den Patienten wie bisher ausgedruckt werden. Wir haben es also hier mit einem bürokratischen Mehraufwand zu tun. Begründung: es besteht noch keine Lösung, wie datenschutzrechtlich die eAU auch dem Patienten als Beleg zur Verfügung gestellt werden kann. Urteil: unglaublich! Fehlerquelle Nummer eins stellt der Eingang der Krankmeldung bei der Krankenkasse dar. Voraussetzung hierfür ist nämlich das erfolgreiche Versenden und der Eingang der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse. Wie sich gezeigt hat, ist so manche Krankmeldung eben bei der Krankenkasse nicht erschienen. Dem Arzt wird deswegen dringend empfohlen, von dem Eingang der Krankmeldung bei der Krankenkasse eine Bestätigung einzufordern, da diese per Gesetz nicht dazu verpflichtet ist. Fehlerquelle Nummer zwei stellt die Prozessierung der Krankmeldung in der Krankenkasse dar. Es wird gemutmaßt, dass größere Krankenkassen besser als kleinere mit diesem Problem umgehen können, da sie mehr Potenzial bieten. Zu der Prozessierung gehört auch, die digital vom Arzt erhaltene Krankmeldung dem Arbeitgeber des Patienten/Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Denn der Arbeitgeber hat nicht per se das Recht, Krankmeldungen bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers abzurufen, sondern muss durch den Patienten legitimiert werden, indem dieser seine Arbeitsunfähigkeit mitteilt. Urteil: heikel! Fehlerquelle Nummer drei stellt die Arztpraxis dar. Wie häufig kommt es zu Fehlern beim Erstellen der Krankmeldung, zum Beispiel, dass ein Tag zu wenig krankgeschrieben wurde. Es reicht in Zukunft nicht mehr aus, dass der Arzt nun die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung neu erstellt oder handschriftlich korrigiert und mit Stempel bestätigt, sondern er wird fehlerhafte Krankmeldungen und dessen Korrekturen auch an die Krankenkasse versenden müssen.
Mehraufwand: ein deutlicher bürokratischer Mehraufwand, da der Arzt zum Beispiel bei nicht erfolgreicher Versendung der Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitfensters (24 Stunden) einen erneuten Versuch starten muss (Verantwortung!), die Krankmeldung zu versenden. Wenn ihm dies nicht gelingt, muss er schließlich die Krankmeldung doch wieder in ihrer ursprünglichen Form ausdrucken, den Patienten informieren und diesem zur Verfügung stellen.
Aber wie bereits oben schon erwähnt, halte ich für wirklich problematisch, dass hier Verantwortlichkeit vom Arbeitnehmer/Patienten auf Arzt/Krankenkasse/Arbeitgeber verschoben wird. Die Politik lapidar: „der Arbeitnehmer soll entlastet werden“. Was die Politik nicht sagt: dies bedeutet Mehrbelastung von Arztpraxis, Krankenkasse und Arbeitgeber. Was noch weniger durch die Politik geäußert wird, dass sich durch die angebliche Entlastung des Arbeitnehmers Fragen ergeben. Kritische, natürlich. Warum muss der Arbeitnehmer entlastet werden, wie kommt die Politik auf die Idee, diesen entlasten zu wollen? Was für ein Bild hat die Politik vom Arbeitnehmer? Warum meint die Politik, die Mehrbelastungen müssten jetzt Arbeitgeber, Krankenkasse und Arzt übernehmen? Wie Sie bereits schon aus meinen früheren Beiträgen entnehmen, dürfen sie Böses erahnen. Das Motiv „Arbeitnehmer entlasten“ ist natürlich vorgeschoben. Der Vorwand dürfte dem Zweck dienen, vom wahren Motiv abzulenken. Schlüsselworte dazu sind: Verantwortung, Macht und Kontrolle sowie Abhängigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Die ersten drei Schlüsselworte und Begriffe beziehen sich dabei auf Krankenkasse, Arbeitgeber und Arztpraxen, die letzten drei auf den Arbeitnehmer/Patienten.
Nach Paul Watzlawik dürfte das wahre Motiv der Sozialstaaten darin liegen, den Bürger immer abhängiger und hilfloser zu machen, um Macht und Kontrolle auszuüben. Dies können Sie natürlich kritisch überdenken. Meine Erfahrung zeigt - und das habe ich bereits in meinen früheren Beiträgen schon dargestellt - welche Maßnahmen der Staat ergreift, seine Bürger hilfloser zu machen. Und hier steht an erster Stelle das „Wohlwollen“, das angebliche Kümmern der Politik, indem sie Verantwortung des Einzelnen übernimmt (sich einmischt). Als Bürger sind sie natürlich zunächst erleichtert, erfreut und entlastet. Aber dafür bezahlen sie einen hohen Preis: Abgabe von Verantwortung. Der Wert, den Menschen zunehmend mit Füßen treten, um den es hauptsächlich in der Psychotherapie geht und der schwer wiegen kann. Auf der anderen Seite: der uns Größe und Stärke gibt, die wir bezüglich unserer eigenen Entwicklung nutzen können. Warum Menschen gern Verantwortung abgeben zeigt sich in der Psychotherapie auch auf wunderbare Art und Weise: wer keine Verantwortung übernimmt, hat auch keine Schuld. Ich nenne es die andere Seite der Medaille. Verantwortung und Schuld sind jeweils zwei Seiten einer Medaille.
Abschied. Abschiednehmen. Abschiednehmen von diesem Jahr. Abschiednehmen fällt vielen Menschen nicht einfach. Dabei ist Abschiednehmen etwas was zum Leben des Menschen gehört. Unser ganzes Leben besteht quasi aus Abschieden. Abschied kommt von ab-scheiden. Das eine wird von dem anderen abgeschieden. Es wird gelöst, es wird getrennt. Auch wer sich nicht verabschieden möchte, kommt am Abschiednehmen nicht vorbei. Abschiednehmen hat auch etwas mit Entwicklung zu tun. Wer sich nicht weiter entwickelt, den lassen die anderen zurück. Wenn sich Menschen unterschiedlich entwickeln oder in unterschiedliche Richtungen entwickeln, müssen sie auch abschiednehmen. Sie treffen womöglich dann auf andere Menschen, die für eine bestimmte Zeit die gleiche Richtung der Entwicklung gewählt haben. Menschen begleiten einander, um später wieder voneinander zu scheiden. Abschied beginnt quasi ganz am Anfang unseres Lebens. Da muss sich eine Eizelle von vielen anderen verabschieden, um zunächst befruchtet zu werden und um dann die Grundlage für ein neues Leben zu schaffen. Vom Embryo zum Fötus entwickelt sich dieses neue Leben, ein Zurück gibt es nicht. Mit der Geburt verabschiedet sich das neue Leben vom Mutterleib, der es vollumfänglich bis dahin versorgt hatte. Der Säugling muss sich dann von vielen anderen Dingen loslösen und damit verabschieden. Er muss sich unter anderem von der Mutterbrust oder der Flasche lösen, vom Krabbeln, vom Schreien als einzige Kommunikationsmöglichkeit. Er muss sich vom Bild verabschieden, dass sich alles um ihn dreht, muss Autonomie entwickeln, die im Laufe der Entwicklung eine zunehmende Distanz zu den Fürsorgepersonen ermöglicht. Das Kind muss sich schließlich von der Idealisierung der Eltern lösen, um eine Vorstellung darüber zu bekommen und zu entwickeln, wohin es eigentlich will. Ausreichend interessierte und fürsorgende Eltern begleiten ihr Kind und ermöglichen diesem ausreichend Raum für eigene Vorstellungen über eine eigene Lebensgestaltung. Mit der Jugend beginnt der Abschied durch die Loslösung von den Eltern, aber auch ein Abschied vom Kindsein. Ein Abschiednehmen vom kindlichen Körper, ein Abschiednehmen von der kindlichen Vorstellungswelt und den damit verbundenen Interessen. Die Adoleszenz kann ein großes Risiko, aber auch eine riesige Chance darstellen. Es ist nicht selten, dass das Abschiednehmen vom Elternhaus entweder mit einem Getöse oder im Stillen von statten geht. Beides ist problematisch. Mancher junger Mensch kann sich nicht lösen und verabschieden, weil er die Legitimation durch die Eltern nicht erkennt. Wenn Eltern zum Beispiel mit sich selbst zu tun haben, seelisch krank sind und den jungen Menschen dadurch binden. Aber auch, wenn Eltern dem jungen Menschen nicht ausreichend signalisieren, dass sie in ihn Vertrauen setzen, sein Leben zu meistern. Abschiede haben also auch immer etwas mit Bindung lösen zu tun. Vielleicht wäre es an diesem Punkt sinnvoll, eher zu formulieren, Abschied kann auch bedeuten, die Bindung zu modifizieren. Die Bindung zu den Eltern erfährt im Laufe des Lebens Veränderung. Die Beziehung muss neu gestaltet, wenn dies nicht gelingt, tatsächlich-und manchmal-endgültig gelöst werden. Entwicklung, Veränderung, Abschied, Trennung, Bindung eingehen und lösen sind wesentliche Aspekte unseres Lebens. Mit dem Alter verabschieden wir uns zunehmend von unseren Fähigkeiten, spontan und flexibel zu handeln (liquide Intelligenz), gleichzeitig können wir auf reichhaltige Erfahrung zurückblicken (kristalline Intelligenz), die uns zunehmend Frieden schließen lässt, unabänderliche Dinge hinzunehmen. Für manchen ist es auch dann der Abschied von der Gesundheit, für alle schließlich der größte Abschied: der eigene Tod, der endgültige Abschied vom Leben.
Der emotionale Umgang mit Abschied erwächst aus der Erfahrung mit den primären Bezugsperson, denn jeder Abschied kann auch Unsicherheit und fehlender Halt bedeuten. Abschied geht mit Trauer, aber auch Wut einher. Wut darüber, dass jedes Glück, jedes schöne Erlebnis, alle Dinge dieser Welt begrenzt sind und nicht von Dauer. Kohelet schreibt: „Alles Windhauch, alles Luftgespinst“. Aus diesen Worten spricht Frustration, und ich meine gar, Trauer darüber, dass wir Menschen keinen wirklichen Einfluss auf dieses Dasein mit seinen vielen Höhen und Tiefen haben. Man könnte hier auch hinzufügen: „unter jedem Dach ein Ach“, was den meisten bekannt sein dürfte und ausdrückt, dass wir Menschen am Abschiednehmen und den damit verbundenen Gefühlen wie Schwere, Trauer, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit und Schmerz nicht vorbeikommen.
Doch mit jedem Abschied öffnet sich immer auch eine neue Tür, die wir wagen dürfen, zu durchschreiten. Wer dieses Wagnis eingeht, der darf erkennen, dass hinter dieser Tür etwas Neues beginnt. Frohe Weihnachten!
Fortsetzung 2:
Aus dem Beschriebenen kann gefolgert werden, wir brauchen nicht erst im Fall eines Kollaps des Gesundheitswesen eine neue Definition von Krankheit, sondern jetzt schon. Dabei ergibt sich bereits an diesem Punkt die Frage nach der Verantwortung. Wenn der Staat und seine Politiker meinen, sie müssten für jedwedes gesundheitsschädigendes Verhalten (Drogen, Nikotin, Alkohol, fettreiche Ernährung usw.) geradestehen, dann fassen sie den Begriff der Krankheit recht weit. Denken wir z.B. um die beschönigende Bezeichnung "Zivilisationskrankheiten". Nun, natürlich stecken hinter dieser Entscheidung, den Krankheitsbegriff weit zu fassen, Motive. Nicht nur, dass dadurch Deutschland (gegenüber anderen Staaten) mit einem hervorragenden Gesundheitssystem prahlen kann, nicht nur, dass die Bürger den Eindruck gewinnen, der Staat kümmert sich, indem der Staat Verantwortung übernimmt, sondern auch und gerade weil der Staat auf diese Art Macht und Kontrolle gewinnt. So kann er ohne mit der Wimper zu zucken, den Menschen zur Herausgabe von Daten zu Forschungszwecken verlangen, um ihnen bei Verweigerung vorwerfen zu können, sie sein an einer Verbesserung der Gesundheits – und Pflegesituation nicht interessiert. Kein Mensch hält Daten zurück, wenn er erfährt, dass diese anderen Menschen bei der Behandlung von Krankheiten helfen. Entsprechend hat die Ärzteschaft vor einiger Zeit dem Opt – out Verfahren (für das Anlegen einer elektronischen Patientenakte für jeden Bürger) zugestimmt und damit den Weg bereitet, dem Gesetzgeber mehr Macht und Kontrolle zu geben. Ein weit gefasster Begriff von Krankheit bedeutet demnach nicht nur immens steigernde Kosten im Gesundheitswesen, sondern auch eine zunehmende Übernahme der Verantwortung mit Macht und Kontrolle durch den Staat. Hingegen führt ein eng umrandeter Krankheitsbegriff zu einer Betonung der Eigenverantwortung.
Fortsetzung 1: "Ohne Krankheit kein Sterben möglich"
Bei genauerer Betrachtung vermute ich hinter dem Umstand (kein Tod ohne Krankheit) einen abstrusen Begriff von Krankheit. Die WHO definiert – als Gegenpol zu Krankheit – Gesundheit als das vollkommene körperliche, seelische und geistige Wohlbefinden. Schon mal erlebt? Sie werden zu dem Ergebnis kommen, ein äußerst seltener Zustand. Also ein Zustand, den die wenigsten regelmäßig erleben dürften. Wie oft haben sie nämlich da oder hier ein Ziehen oder Kneifen, mit dem Rücken oder mit den Eingeweiden zu tun? Wie oft "nerven" sie Gedanken oder Grübelein. Wie oft kommt es vor, dass sie sich "mal nicht auf der Höhe" fühlen, müde, matt oder erschöpft. Schlussfolgernd dürften die meisten Menschen krank sein. Auch wenn wir diese vollkommen fernliegende Definition der WHO beiseite schieben, werden wir entdecken, dass wir in unserem Staat Symptome des Älterwerdens oder Alterns gern als Krankheit deklarieren: ob es das verzögerte Harnlassen beim Mann oder das erschwerte Harnhalten bei der Frau ist, ob es die „Wechseljahre“ sind, die schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke, die reduzierte Belastbarkeit, die Kurzatmigkeit, die geschwollenen Füße oder Unterschenkel, das schlechtere Sehen oder Hören, die reduzierte Aufmerksamkeit, das abnehmende Gedächtnis: alles Symptome, alles Beschwerden, hinter allem Ursachen, die wir behaupten, Krankheiten zu sein: die gutartige Prostatavergrößerung (BPH), die Senkung von Gebärmutter und/oder Harnblase, die Veränderungen des Hormonhaushaltes, die Arthrose, die Herzschwäche, die Krampfadern, die Altersschwerhörigkeit, der graue Star usw. Es sind genaugenommen eben keine Krankheiten. Diese Beschwerden entstehen nämlich als Folge von Alterungsprozessen, die jeden betreffen, in durchaus unterschiedlichem Maße. Wenn also ein alter Mensch an einer Herzschwäche stirbt, dann ist das eben keine Krankheit, sondern Folge der abnehmenden Herzleistung durch Gefäßverkalkung und/oder durch die abnehmende Vitalität der Herzmuskelzellen. Davon ausgenommen kann natürlich ein junger Mensch als Folge einer Infektion eine Herzmuskelentzündung und anschließend eine Herzschwäche entwickeln, was dann eindeutig eine Erkrankung darstellt. Doch dies ist selten im Gegensatz zu der altersbedingten Einschränkung der Herzleistung.
Dieser abstruse Krankheitsbegriff, der viele Phänomene der Medizin pathologisiert, hat natürlich Konsequenzen:
a)wir meinen, diese „Krankheiten“ könnten durch eine gezielte Behandlung geheilt werden.
Weit gefehlt. Die Beschwerden können nur für eine begrenzte Zeit reduziert, der Alterungsprozess hinausgezögert werden. Am Ende ist der Katzenjammer groß, wenn in uns die Erkenntnis reift, keine Krankheit, sondern das Alter steckt dahinter.
b)wir erwarten (dann zurecht) Behandlungsmöglichkeiten, die die Ursachen der "Krankheit" behandeln. Weder Arthrose noch Arteriosklerose bilden sich wieder zurück. Aus "alt" kann die Medizin nicht "neu" machen. Den Schaden (Arthrose des Knies z.B.) können Sie nur durch Einbau eines neuen Gelenkes beheben oder Sie nehmen regelmäßig Schmerzmedikamente.
c)wir fordern, dass der Staat Verantwortung übernimmt, indem er die Kosten der Mittel zur Behandlung der "Krankheit" trägt. Diese "freiwillige" Verantwortungsübernahme der Staatslenker folgt natürlich einem Motiv. Und das ist durchaus nicht fürsorglich.
Fortsetzung folgt
Kürzlich hatte ich mal wieder das Vergnügen, den ärztlichen Bereitschaftsdienst durchzuführen. Neben dem Wandel, den mittlerweile der Bereitschaftsdienst seit dem letzten Jahrzehnt vollzogen hat (zunehmende Zentralisierung), fiel mir ein Kuriosum auf:
Ohne Krankheit kein Sterben möglich
Ich wurde – was eben in einem Bereitschaftsdienst passieren kann – zu einer Leichenschau gerufen und sollte den Tod eines Patienten feststellen. Darüber hinaus – so in deutschem Lande verlangt – war das Ausfüllen eines Formulars zur Leichenschau gefordert. Völlig widersprüchlich – so mein Empfinden – wurde gefragt, ob ich annehme, es handele sich um einen „natürlichen“ Tod, gleichzeitig aber auch, welche näheren „Krankheitsumstände“ zum Tod geführt hätten. Nun, der Patient musste scheinbar eine Krankheit haben, so verstand ich den Umstand, um zu sterben. „Krankheit“ oder „Natürlich“, schoss es durch meinen Kopf. Natürlich sterben wir alle. Auch alle „natürlich“, trotz Krankheit. „Natürlich“ bezieht sich hier auf den Umstand, dass der Tod nicht durch äußere Einwirkung bedingt sei, ist also kein Widerspruch! So folgerte ich aus dem Text, der da vor mir lag, nicht im „Natürlich“ oder „Krankheit“ liegt der Widerspruch, sondern in „Tod nur durch Krankheit“. Nun werden sie – liebe Leser – doch häufiger gedacht haben, wenn Menschen sterben, dann eben „ganz normal“ (wir Menschen sprechen gern davon, „er ist eingeschlafen,“ er ist halt „von uns gegangen“), ohne Krankheit, ohne irgendeinen Vorfall. Weit gefehlt. Denn als Arzt muss ich eine Krankheitsursache angeben, auch wenn ich den Eindruck habe, ist gibt keine. Und das kommt recht häufig vor. Dann muss ich – von Amtswegen her – eine Ursache erfinden, weil die Akten keine nennenswerte Krankheit hergeben. Diese Tatsache ist erstaunlich, so erstaunlich, dass die Hintergründe geklärt werden sollten.
So erahne ich, dass dieser Umstand mit unserem in dieser Gesellschaft bestehenden doch sehr ambivalenten Verhältnis zum Sterben bzw. zum Tod zu tun haben könnte. Sterben und Tod ist nach meinem Empfinden – und noch mehr durch Corona geworden – ein Umstand, der quasi mehr und mehr aus unserem Leben gewichen ist. Viele sterben im Krankenhaus, nicht zuhause. Sterben passiert außerdem den anderen, nur nicht bei den eigenen Angehörigen, nicht bei uns selbst. Dass Sterben zu unserem Leben gehört, das durch den Alterungsprozess abgeschlossen wird, wollen manche Menschen, insbesondere Politiker und Meinungsmacher, nicht begreifen, weil unbequem. Die fortwährende Diskussion um das Sterben, um den assistierten Suizid, wer z.B. ein Anrecht auf Pentobarbital („Giftspritze“) hat und wer nicht, verdeutlicht das. Sterben und Tod sind Bestandteile des Lebens und – um auf die zu Beginn geäußerte Darstellung zurück zu kommen – eben keine Krankheit.
Fortsetzung folgt
24/7. So nennt es die junge Generation und meint damit, 24 Stunden, 7 Tage die Woche zur Verfügung stehen. Also immer. Das Smartphone macht es möglich. Immer verfügbar, immer erreichbar, immer online, immer da. Fein. Das ist der moderne Mensch. Sein Motiv: er will wichtig sein, er will eine Rolle spielen, er will gebraucht werden. Doch immer verfügbar zu sein, immer erreichbar zu sein bedeutet auch, nicht ausreichend Rückzugsorte haben, keine Ruhe finden können, keine Möglichkeit haben, abzuschalten. Trotzdem wollen alle es, alle machen mit. Halt modern. Wer nicht mitmacht, ist altmodisch oder ein Dinosaurier. Doch die Sache hat wie immer einen Haken: der 24/7 Mensch will zwar immer wichtig sein und immer erreichbar, aber er hat nun mal einen Körper, einen Geist, eine Seele, die dann und wann Schlaf, Entspannung oder andere Bedürfnisse einfordern. So kommt es, dass er in ein Dilemma gerät. Immer verfügbar sein – so seine Feststellung – ist dauerhaft nicht möglich. Da er sich allerdings von 24/7 zunehmend abhängig gemacht hat (wie alle anderen auch), ist es nur eine Frage der Zeit, bis er Geist, Seele und Körper so überfordert hat, dass er in der Erschöpfung landet. Früher hieß dieser Zustand „psychovegetative Erschöpfung“, heute modern „Burnout“. Burnout ist mittlerweile ein Markenzeichen. Wer noch kein Burnout gehabt hat, der dürfte wohl noch nicht ausreichend in seine Wichtigkeit investiert haben. Verkehrung der Wirklichkeit. Burnout oder Erschöpfung sind gut, sich bewusst nicht krankmachen schlecht. Wer noch nicht ausreichend Schaden genommen hat, der hat scheinbar 24/7 noch nicht ausreichend beherzigt. Er kann – um dem ganzen noch eine besondere Note zu geben – zu Amphetaminen greifen. Dann spürt er seine Erschöpfung nicht, allerdings wird der Absturz um so heftiger. Bei jungen Menschen ein Thema. Besonders vor Prüfungen. Bloß kein Versagen, kein Scheitern, das wäre allzu menschlich. Also Amphetamine.
Die Erwartungen und Anforderungen an die junge Generation sind zunehmend und komplexer geworden. Aber auch bei den „Alten“. Wer nicht einer whatsapp Gruppe angehört oder sich in irgendeiner anderen community befindet, der ist out, mega – out. Man gehört dann quasi nicht mehr dazu. Und alle machen mit. Spielverderber möchte ja keiner sein. Darum hat man heute nicht nur ein Smartphone, googelt, bestellt bei Amazon und sorgt dafür, dass man in mehreren whatsapp Gruppen ist, sondern verteilt seine Daten blindlings über das gesamte Internet. Privatsphäre war gestern, rücksichtsloses Breitmachen ist heute. Schließlich will man ja dazugehören. „Man macht halt mit“. So unterwirft sich der moderne Mensch der Technik und landet in der Uniformität. Natürlich hat man die CoronaWarnApp, natürlich ist man geimpft, natürlich weiß man immer Bescheid. Der moderne Mensch erwartet und fordert viel. Er ist damit Täter und Opfer seiner Erwartungen zugleich. Der moderne Mensch hat einen kranken Geist, er obliegt einem massiven Denkfehler, aber ist nicht geisteskrank. Er will ja nur nicht abgehängt werden. Es ist allerdings die Entwicklung der Technik, die ihm vorschreibt, was er zu tun, was er zu haben und was er zu sein hat. Die Politiker sagen es ja auch: „wir müssen, um im internationalen Vergleich nicht abgehängt zu werden“ und „sonst verpasst Deutschland den Anschluss“. Politiker machen gerne Angst. Angstmachen ist ein typisches Merkmal des modernen Menschen und der modernen Politik. Zwar leben wir seit vielen Jahrzehnten in einer noch nie dagewesenen sicheren Welt (denken sie an Kranken – und Rentenversicherung, den wirtschaftlichen Status, die Freiheit, unseren Beruf weitestgehend wählen zu können usw.), doch sicher kann nicht sicher genug sein. Das ist ebenfalls ein großer Denkfehler. Doch allein die allgegenwärtige Sicherheitspropaganda (aktuell von Herrn Lauterbach) suggeriert vollumfängliche Sicherheit. Und dafür opfert der moderne 24/7 Mensch selbst sein höchstes Gut: seine Freiheit, genauer: sein Recht auf Selbstbestimmung!