Hermann Gröhe hat Großes vor. Er möchte die medizinsche Landschaft umgestalten. Ziel des Gesetzes ist eine "bedarfsgerechte, flächendeckende und gut erreichbare medizinische Versorgung für jeden". Hört sich erstmal klasse an, aber...

wie bei jeder Werbung ist hier ein gesundes Misstrauen angezeigt. Weiter heißt es (s. auch www.bmg.bund.de) "Acht von zehn Menschen in Deutsch­land sind sehr zufrieden mit dem Gesundheitswesen. Dies ergibt eine aktuelle Befragung des Allensbach Instituts. „Das sollte uns ein Ansporn sein, die Zufriedenheit weiter zu stei­gern“. Super Motivation. Hier scheint jemand 100% "sehr zufrieden" zu wünschen, wohl weißlich, dass es schon wahrscheinlichkeitstheoretisch nie 100% geben kann. Aber weiter: Was versteht Herr Gröhe unter "bedarfsgerecht"? Er geht dabei davon aus, dass es in vielen Städten Deutschlands eine Überversorgung von Ärzten gibt. Wie kommt er darauf? Hier richtet er sich an sogenannten "Bedarfszahlen", die vor Jahrzehnten einmal festgelegt worden sind. Es wurde also bezogen auf eine bestimmte Fläche (!) ein Bedarf an Ärzten ermittelt. Entsprechend eines bestimmten Schlüssels dürfen sich also eine festgelegte Zahl von Hausärzten, Kardiologen, Augenärzten etc. in einem festgelegten Bereich (z.B. Großraum Braunschweig, Landkreis Gifhorn) niederlassen. Diese Berechnungen wurden schon vor Jahren kritisiert, weil sie den Eindruck verschafften und verschaffen, dass es einerseits in Städten wie Wolfsburg oder Braunschweig eine Überversorgung gibt, andererseits in Landkreisen wie Gifhorn eine Unterversorgung. So war es in der Vergangenheit kaum möglich, sich als Hausarzt in Braunschweig niederzulassen, weil der Bezirk "gesperrt" war. Andererseits durften und dürfen über Jahre mind. 10-20 weitere Hausärzte im Landkreis Gifhorn Praxen eröffnen, was schon vom Einzugsgebiet überhaupt keinen Sinn hat. Und nun will Herr Gröhe quasi eine Verschiebung der "Arztpraxenlastigkeit" von der Stadt auf das Land erreichen. Praxen, die aus Alters - oder anderen Gründen in der Stadt geschlossen werden, sollen nicht mehr besetzt werden. Nein, die Kassenärztliche Vereingung als Handlanger des Gesundheitsministeriums soll zukünftig auf Kosten der Niedergelassenen die Praxen aufkaufen und....schließen. Gleichzeitig möchte Herr Gröhe, dass sich mehr Ärzte auf dem Land niederlassenen. Wie bitte schön? Seit Jahren versuchen KV (Kassenärztliche Vereinigung), Landkreis und Ärzte den Nachwuchs auf`s Land zu lenken. Und Versuch gelungen? Erstens ist der Wunsch junger Mediziner selten eine Niederlassung. Die meisten gehen entweder in die Forschung oder ins Ausland, da sie dort bessere Perspektiven erwarten. Hauptproblem: die Niederlassung als Arzt ist absolut unattraktiv! Zweitens vergisst Herr Gröhe, dass für den Fall des Schlusses innerstädtischer Praxen, ein Patientenstrom auf die übrigen Praxen entbrennt. Wohin also mit den Patienten? Kurzum: die "bedarfsgerechte" Versorgung versteht sich als weitere Reduktion von Arztpraxen neben dem in den nächsten Jahren (und bereits in einigen Bezirken) sich entwickelnden Ärztemangel.

Da Herr Gröhe weiß, dass die ambulante Versorgung durch uns Niedergelassene zukünftig ein Problem darstellen wird (das er mit seinem Gesetz verschärft), sollen die Krankenhäuser in Zukunft auch ambulant behandeln dürfen. Die Folge: 1) Überlastung der Krankenhäuser (denn sie müssen ja ihren Auftrag der stationären Versorgung noch gerecht werden), 2) Geldfluss und Geldentzug vom ambulanten in den stationären Bereich. Damit wird die Zukunft der Niedergelassenen besiegelt, denn denen wird der Geldhahn zu gehen. Nicht umsonst orientiert sich mittlerweile ein Teil der Niedergelassenen Kardiologen und Orthopäden am Klinikum. 

Und dann ist da noch ein vollkommener Schwachsinn: Herr Gröhe meint, die Deutschen warten zu lange auf einen Facharzttermin. Im internationalen Vergleich sind wir so gut, kaum einzuholen. Warum also so ein nonsense? Nach Herrn Gröhe, sollen Patienten das Recht bekommen, wenn sie nicht innerhalb von 4 Wochen bei ihrem Facharzt einen Termin erhalten, sich an eine "Servicestelle" der KV wenden zu können. Diese soll den Patienten dann einen schnelleren Termin bei irgendeinem Facharzt -den der Patient dann nicht aussuchen darf- nennen. Sollte die Servicestelle allerdings keinen schnelleren Termin anbieten können, darf der Patient ambulant auch ins Krankenhaus gehen dürfen. Mein Kommentar: Bitte? Wenn einer meiner Patienten einen dringenden Termin bedarf, dann rufe ich auf Wunsch bei meinem fachärztlichen Kollegen an, und erhalte in den meisten Fällen kurzfristig (innerhalb von 14 Tagen) einen Termin. Das wird nicht nur in meiner Praxis so sein, sondern auch bei meinen hausärztlichen Kollegen.
Meine Meinung: Zuletzt will Herr Gröhe die Niedergelassenen bestrafen, weil sie einem potentiellen Patienten nicht "rechtzeitig" einen Termin geben konnten. Wonach hört sich das an? Natürlich genau gegenteilig zu dem, was Herr Gröhe propagiert: er will die Niedergelassenen Ärzte und ihre Arbeit in Wahrheit entwerten, und den stationären Bereich stärken. Good bye freie Niederlassung good morning Poliklinik alias DDR.

Und was ist mit uns Hausärzten? Diese Spezies wird auch in Zukunft benötigt, doch ihre Qualität und Quantität wird bei abnehmenden Nachwuchs und damit länger zu erwartender Arbeitsdauer sowie bei schlechter bezahlter Arbeit einen Abwärtstrend zeigen.