Eine Erkenntnis, die jedem von uns bekannt sein dürfte, die jeder schon implizit weiß, weil sie ein stetiger Begleiter unseres Lebens ist und an uns vielleicht haftet wie eine Klette, auch wenn sie sich äußerlich in immer neuen Gewändern zeigt, gegen die wir uns mal heftig wehren, auch wenn wir ahnen, dass sie unumgänglich ist, mancher nur unter Psychotherapie bereit ist, sie anzunehmen, da sie so schmerzhaft sein kann und ja, tatsächlich manchen dazu bringt, sein Leben zu beenden, ist, dass wir Altes loslassen müssen, um Raum für Neues zu schaffen. Wir müssen aufgeben, Aufgaben abgeben, von Dingen ablassen, andere wieder zulassen, diese wieder lernen, anzunehmen, um nach einer Zeit wieder zu erkennen, dass wir uns im gleichen stetigen Kreislauf befinden: der Entwicklung, der Wandlung. Ohne Versagen, ohne Scheitern, ohne Fehler zu machen haben wir kaum die Möglichkeit, diese Erkenntnis zu erlangen. Es ist urmenschliches Wissen, dass die Welt sich unaufhaltsam verändert, ob wir wollen oder nicht. Unsere Fähigkeiten, daran etwas zu verändern, sind sehr, sehr begrenzt. Zu gern geben wir uns der Illusion hin, tun wir so, als ob das Leben unbegrenzt wäre. Trotz der mittlerweile sehr begrenzten Ressourcen, der Notwendigkeit, an unserem Lebensstil etwas zu verändern, leben viele von uns in "Saus und Braus": Lassen keine Feier aus, müssen das neueste Auto fahren, die neuesten Technologien nutzen, die ganze Welt bereisen, auch wenn wir ihr in dem Maße nicht gut tun. Und doch ist es für viele Menschen so schwierig, von alten, vielleicht überholten Dingen zu lassen, weil sie sie so unheimlich lieb gewonnen haben, sie zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden sind. Und doch müssen wir uns gerade davon (garantiert eines Tages) schweren Herzens verabschieden. Wer schon einmal einen Menschen verloren hat, der kann davon "ein Lied singen". Letztendlich müssen wir – gottgegeben – auch unser eigenes Leben aufgeben. Mit dem Aufgeben, mit dem Scheitern, mit dem Versagen, gewinnen wir aber ganz viel neu: ein Leben ohne das Liebgewonnene – stellen wir fest – ist möglich. Wir stellen fest, wir haben uns aus einer Abhängigkeit gelöst. Und noch größer: durch das Lösen aus dieser Abhängigkeit haben wir Freiheit gewonnen. Und durch diese Freiheit kann nun unser Leben um einen ganz neuen Mittelpunkt gestaltet werden. Und das Besondere: jeder von uns ist es selber, der dieses, sein Leben beginnt, neu zu gestalten, neu zu konstruieren. Es ist ein Raum durch das Loslassen entstanden, der mit einem neuen Sinn, einer neuen Bedeutung gefüllt werden darf. Wir sind nun für einen kurzen Augenblick ein Akteur, der auf alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen blicken und greifen darf. Und noch darüber hinaus: unser Blick bleibt nicht nur auf unsere Kraftquellen begrenzt, wir werden "offen für Neues", sehen über unsere bisher begrenzte Perspektive hinaus, unser Blick ist quasi weiter geworden.

Somit steckt in dieser Erkenntnis ein ganz, ganz großer Gewinn und der heißt "Leben". Jesu Sterben und sein Leiden am Kreuz, schließlich die Wiederauferstehung zu Ostern bringt auf symbolische Art und Weise uns diese Erkenntnis nahe, nämlich direkt in unser Leben.