Was ist die Telematik Infrakstruktur (TI)? Ein Überblick:
1)NFDM: Notfalldatenmanagement
Im Rahmen des Notfalldatenmanagements werden Notfalldaten (NFD) – und auf Wunsch – und ein Datensatz „Persönliche Erklärung“ (DPE) auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) des Versicherten gespeichert.
-> NFD: Mit dem Notfalldatensatz sollen Ärzte und medizinisches Personal im Notfall schnell Zugriff auf relevante medizinische Informationen haben. An welchen Krankheiten leidet die Person? Sind Allergien bekannt? Welche Medikamente nimmt sie ein? Der Notfalldatensatz kann folgende Angaben enthalten:
› Diagnosen
› Medikation
› Allergien und Unverträglichkeiten
› wichtige Kontaktdaten und besondere Hinweise
Für Patienten ist der NFD freiwillig. Anspruch auf einen NFD haben Patienten, wenn zum Beispiel Vorerkrankungen oder Allergien vorliegen, von denen Ärzte und medizinisches Personal in einem Notfall wissen sollten. Das ist der Fall bei Personen:
› mit mehreren Diagnosen, Medikamenten und weiteren Besonderheiten
› mit Erkrankungen, die in einem Notfall besonders relevant sind
› mit seltenen Erkrankungen
› die schwanger sind
-> DPE: Der Datensatz "Persönliche Erklärung" enthält Informationen dazu, ob notfallrelevante Dokumente wie ein Organspendeausweis, eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht vorliegen und wo diese zu finden sind. Die Dokumente als solches sind aber nicht Bestandteil der Speicherung.
Der Notfalldatensatz muss grundsätzlich elektronisch signiert werden, egal ob er auf der eGK und/oder in der elektronischen Patientenakte (ePA) gespeichert wird. Dafür benötigt der Arzt einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA).
Hinweis: Auf der eGK ist der Notfalldatensatz in der Standardeinstellung nicht durch eine zusätzliche PIN geschützt. Patienten können ihn jedoch mit ihrer Karten-PIN sichern, die ihnen die Krankenkasse auf Wunsch zuschickt. Das Anlegen, Aktualisieren und Löschen der NFD ist dann nur noch mit der PIN-Eingabe der betroffenen Person möglich. Gleiches gilt für das Auslesen der Daten in der Praxis, ohne das ein medizinischer Notfall vorliegt. Jedoch kann das medizinische Personal in einer Notfallsituation ohne PIN-Eingabe die Notfalldaten einsehen.
2)ePA: elektronische Patientenakte
Das wohl am umstrittenste Paket der TI. Die ePA ist ein digitaler Speicher, der alle gesundheitsrelevanten Informationen sammeln und es Patienten ermöglichen soll, diese schnell und sicher mit ihren behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten zu teilen. Damit soll sie für die Versicherten zu einer zentralen Anwendung der Telematikinfrastruktur (TI) werden.
Der Gesetzgeber stellt sich einen "BESSEREN INFORMATIONSAUSTAUSCH MIT DER EPA " vor.
Die ePA soll Patientendaten digital bündeln, die an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegt sind. Damit haben Patienten alle relevanten Informationen an einer Stelle gesammelt und können sie beispielsweise ihrem Arzt oder bei Bedarf auch in der Apotheke vorlegen.
Folgende Dokumente und Informationen kann eine ePA enthalten:
› Befunde
› Diagnosen
› Therapiemaßnahmen
› Behandlungsberichte
› Medikationsplan (eMP)
› Notfalldatensatz (NFD)
Ab 2022 kommen weitere, heute nur in Papierform vorhandene Dokumente hinzu: Impfpass, Mutterpass, Kinder-Untersuchungsheft, Zahnärztliches Bonusheft. Auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Rezepte können dann elektronisch in der ePA abgelegt werden.
Die ePA soll eine patientengeführte Akte darstellen. Das heißt, Patienten entscheiden selbst, ob sie eine solche nutzen, wie sie sie verwalten möchten, welche Dokumente in der ePA abgelegt und wann sie wieder gelöscht werden. Sie bestimmen zudem darüber, welche Praxis oder Apotheke in welchem Zeitraum welche Dokumente sehen und lesen darf. Jeder Zugriff wird protokolliert.
Patienten verwalten ihre ePA in der Regel über eine App auf Smartphone oder Tablet, die ihnen ihre Krankenkasse seit 1. Januar 2021 auf Wunsch zur Verfügung stellen muss. Versicherte, die die ePA nicht über eine App verwalten können, haben die Möglichkeit, ihre Daten mittels elektronischer Gesundheitskarte und Patienten-PIN freizugeben. Das kann bereits beim Einlesen der Karte an der Anmeldung geschehen. Weder die ePA noch Dokumente daraus werden auf der eGK gespeichert, die eGK dient der Authentifizierung.
Die Einführung soll ebenfalls schrittweise laufen - denn es geht um ein technisches Großprojekt.. Seit Anfang 2021 haben alle Versicherte Anspruch auf eine ePA-App. Mit Inhalten füllen können sie die vorerst selber. Und nicht-digitale Unterlagen müssen anfangs noch per Handy oder Tablet eingescannt werden. Daneben gibt es einen Bereich mit Versicherten-Informationen der jeweiligen Kassen, etwa mit Erinnerungsfunktionen oder einer Art Quittung über abgerechnete Leistungen. Einen weiteren Bereich sollen Ärzte mit medizinischen Daten speisen.
Nach und nach sollen sich mehr Praxen anschließen - direkt eine digitale Revolution erwarten Ärzte jedoch nicht. "Wenn die Technik steht und reibungslos funktioniert, hat die ePA sicherlich das Potenzial, eine sinnvolle Ergänzung im Behandlungsalltag zu sein", sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. Die Erwartungen sollten aber nicht zu groß sein. Versicherte müssten Dokumente aktiv freischalten. "Für viele ältere Patienten wird das eine Hürde sein." Für die Praxen ersetze die ePA auch nicht die medizinische Dokumentation und die Kommunikation zwischen Ärzten.
Aktuell: Der deutsche Ärztetag hat mit knapper Mehrheit einem "Opt-out" Verfahren zugestimmt. Was heißt das? Der Gesetzgeber (seit Spahn) plant, auch ohne Zustimmung jeden Bürgers eine ePA für alle Versicherten anzulegen. Dies kann sogar soweit gehen, dass die Eltern bei Geburt ihres Kindes keine Berechtigung haben, Einspruch gegen das Anlegen einer ePA für das Neugeborene haben. Einen Widerspruch kann demnach ein Versicherter erst ab dem 18.Lebensjahr einlegen.
3)eAU: elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Mit dem 01. Juli 2022 soll die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) in Papierform Geschichte sein. Sie soll digitalisiert werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers müssen nicht mehr die Versicherten selbst ihre Krankenkasse und ihren Arbeitgeber über eine Arbeitsunfähigkeit informieren, sondern die behandelnden Ärzte. Dies soll dadurch geschehen, indem Ärzte die AU-Daten elektronisch an die Krankenkassen übermitteln. Diese wiederum leiten die für die Arbeitgeber bestimmten Daten weiter. Das bisher genutzte Muster 1 „Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ entfällt. Die sich hieraus entwickelnde Problematik besteht darin, dass Ärzte und Krankenkassen Verantwortung zugeschrieben bekommen, die sie bisher nicht hatten. Was meine ich damit? Wenn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber nicht ankommt (weil die Technik versagt) und der Versicherte deswegen Ärger bekommt (oder gar gekündigt wird), wer haftet dann? Lapidar heißt es bei der KV: "wenn die eAU auch am nächsten Tag nicht an die Krankenkasse digital versendet werden kann, muss der Arzt (!) die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform an die Krankenkasse senden, damit diese wiederum den Arbeitgeber informieren kann". Die Verantwortung liegt also ganz beim Arzt.
Hinweis der Kassenärztlichen Vereinigung:
Ist die Versendung der eAU noch nicht digital möglich, muss die Praxis das Ersatzverfahren anwenden: Der Versicherte erhält eine mittels Stylesheet erzeugte AU mit allen drei Ausfertigungen auf Papier (für Krankenkasse, Arbeitgeber, Versicherten). Ein digitaler Nachversand ist nicht erforderlich.
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4)eRezept: elektronisches Rezept
Wenn die aktuell laufenden Tests der gematik erfolgreich sind, beginnt ab 1. September 2022 der "Rollout" in den KV-Regionen Westfalen-Lippe und Schleswig-Holstein. Starten werden Pilotpraxen auf freiwilliger Basis; weitere Praxen kommen nach und nach hinzu. Der Rollout wird dabei eng begleitet, um Problem schnell identifizieren und lösen zu können. Die gematik wird dafür eine eigene Supportstruktur bereitstellen. Ab Anfang September müssen alle Apotheken bundesweit dafür bereit sein, eRezepte anzunehmen und zu verarbeiten. Wurden die festgelegten Qualitätskriterien für die erste Stufe des Rollouts erfüllt, starten frühestens am 1. Dezember 2022 sechs weitere KV-Regionen mit dem Rollout. Für den Start der Stufe 2 ist ein Beschluss der Gesellschafter der gematik notwendig. Lief auch die Stufe 2 des Rollouts erfolgreich, startet das eRezept in den verbliebenen KV-Regionen.
Vorgehen: Das eRezept wird in der Praxis signiert und abgeschickt und gelangt schließlich auf einen eRezept-Server. Benutzt der Patienten die eRezept-App und hat er sich mit der NFC-fähigen elektronischen Gesundheitskarte authentifiziert, erhält er eine Information in seiner App, dass ein eRezept zur Verfügung steht und in der Apotheke eingelöst werden kann. Patienten, die die App nicht nutzen, erhalten auf Wunsch einen "Token-Ausdruck". Dieser enthält Informationen zu bis zu drei Verordnungen. Die aufgedruckten Data-Matrix-Codes können in der Apotheke eingescannt werden. Die Nutzung von speziellem Sicherheits- oder Signaturpapier ist nicht erforderlich.
In folgenden Fällen sind zunächst keine eRezepte zulässig, sondern werden erst in weiteren Ausbaustufen ermöglich oder sogar verpflichtend:
- BtM-Rezepte
- T-Rezepte
- Verordnung von sonstigen nach §31 SGB V einbezogenen Produkten (etwa Verbandmittel und Teststreifen)
- Verordnung von Hilfsmitteln
- Verordnung von Sprechstundenbedarf
- Verordnung von Blutprodukten
- Verordnungen von Digitalen Gesundheitsanwendungen,
- Verordnungen zulasten von sonstigen Kostenträgern, zum Beispiel Sozialhilfe, Bundespolizei, Bundeswehr etc. (vgl. www.kbv.de/html/93.php),
- Verordnungen für im Ausland Versicherte.
Diese Verordnungen werden voraussichtlich in weiteren Ausbaustufen des eRezepts ermöglicht oder sogar verpflichtend.
5)eMP: elektronischer Medikationsplan
Welche Arzneimittel nimmt die Patientin ein? Sind Allergien oder Unverträglichkeiten bekannt? Mit dem elektronischen Medikationsplan (eMP) sind diese Informationen auf der Gesundheitskarte gespeichert. Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und auch Psychotherapeuten können sie mit Zustimmung des Versicherten jederzeit einsehen. Der Medikationsplan an sich ist nicht neu. Seit 2016 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP), wenn sie mindestens drei Medikamente einnehmen.
Der eMP wird auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gespeichert. Auf Wunsch erhält der Patient einen Papierausdruck.
Es sind nicht nur die aktuellen Medikamente mit ihrem Wirkstoff sowie Informationen zur Einnahme wie Dosis und Einnahmegrund wie beim BMP aufgeführt, im eMP können ebenso Arzneimittel gespeichert sein, die die Person in der Vergangenheit eingenommen hat. Auch medikationsrelevante Daten wie Allergien und Unverträglichkeiten sowie andere wichtige medizinische Angaben zum Versicherten sind wie bisher möglich, nun aber in einer deutlich ausführlicheren Form.
Bisher haben sich hauptsächlich die Hausärzte um die Pflege des Medikationsplans gekümmert. Beim eMP sind nun auch Fachärzte in Praxis und Krankenhaus sowie Apotheker verpflichtet, den Medikationsplan zu aktualisieren. Ob jemand einen eMP erhält, hängt wie beim bundeseinheitlichen Medikationsplan von der Anzahl und der Einnahmedauer der Medikamente ab. Die Person muss
› mindestens drei verordnete systemisch wirkende Arzneimittel gleichzeitig
› über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen einnehmen oder anwenden.
Die Nutzung des eMP ist für Patienten freiwillig.
Versicherte können ihre eGK zusätzlich mit einer PIN vor unberechtigten Zugriffen schützen. Für den eMP ist das sogar standardmäßig aktiviert. Dementsprechend kann ein eMP nur dann auf der eGK gespeichert, von dort ausgelesen oder aktualisiert werden, wenn die Versicherten ihre Karten-PIN kennen.