Psychotherapeutische Praxis Ansgar Hantke
Was wir brauchen. Am Beispiel der Anekdote "Der zufriedene Fischer"
In einem Hafen an einer westlichen Küste Europas
liegt ein ärmlich gekleideter Mann in seinem
Fischerboot und döst. Ein schick angezogener
Tourist legt eben einen neuen Farbfilm in seinen
Fotoapparat, um das idyllische Bild zu fotografieren:
blauer Himmel, grüne See mit friedlichen
schneeweißen Wellenkämmen, schwarzes Boot,
rote Fischermütze. Klick. Noch einmal: klick. Und
da aller guten Dinge drei sind und sicher sicher ist,
ein drittes Mal: klick.
Das spröde, fast feindselige Geräusch weckt den
dösenden Fischer, der sich schläfrig aufrichtet,
schläfrig nach einer Zigarettenschachtel angelt;
aber bevor er das Gesuchte gefunden, hat ihm der
eifrige Tourist schon eine Schachtel vor die Nase
gehalten, ihm die Zigarette nicht gerade in den
Mund gesteckt, aber in die Hand gelegt, und ein
viertes Klick, das des Feuerzeuges, schließt die
eilfertige Höflichkeit ab. Durch jenes kaum messbare,
nie nachweisbare Zuviel an flinker Höflichkeit
ist eine gereizte Verlegenheit entstanden, die der
Tourist – der Landessprache mächtig – durch ein
Gespräch zu überbrücken versucht.
„Sie werden heute einen guten Fang machen.“
Kopfschütteln des Fischers.
„Aber man hat mir gesagt, daß das Wetter günstig
ist.“ Kopfnicken des Fischers.
„Sie werden also nicht ausfahren?“ Kopfschütteln
des Fischers, steigende Nervosität des Touristen.
Gewiss liegt ihm das Wohl des ärmlich gekleideten
Menschen am Herzen, nagt an ihm die Trauer über
die verpasste Gelegenheit.
„Oh, Sie fühlen sich nicht wohl?“ Endlich geht der
Fischer von der Zeichensprache zum wahrhaft
gesprochenen Wort über.
„Ich fühle mich großartig“, sagt er. „Ich habe mich
nie besser gefühlt.“ Er steht auf, reckt sich, als
wolle er demonstrieren, wie athletisch er gebaut ist.
„Ich fühle mich phantastisch.“
Der Gesichtsausdruck des Touristen wird immer
unglücklicher, er kann die Frage nicht mehr unterdrücken,
die ihm sozusagen das Herz zu sprengen
droht: „Aber warum fahren Sie dann nicht aus?“
Die Antwort kommt prompt und knapp. „Weil ich
heute morgen schon ausgefahren bin.“
„War der Fang gut?“
„Er war so gut, daß ich nicht noch einmal auszufahren
brauche, ich habe vier Hummer in meinen
Körben gehabt, fast zwei Dutzend Makrelen gefangen...“
Der Fischer, endlich erwacht, taut jetzt auf
und klopft dem Touristen beruhigend auf die Schultern.
Dessen besorgter Gesichtsausdruck erscheint
ihm als ein Ausdruck zwar unangebrachter, doch
rührender Kümmernis.
„Ich habe sogar für morgen und übermorgen genug“,
sagt er, um des Fremden Seele zu erleichtern.
„Rauchen Sie eine von meinen?“
„Ja, danke.“
Zigaretten werden in die Münder gesteckt, ein
fünftes Klick, der Fremde setzt sich kopfschüttelnd
auf den Bootsrand, legt die Kamera aus der Hand,
denn er braucht jetzt beide Hände, um seiner Rede
Nachdruck zu verleihen.
„Ich will mich ja nicht in Ihre persönlichen Angelegenheiten
mischen“, sagt er, „aber stellen Sie sich
mal vor, Sie führen heute ein zweites, ein drittes,
vielleicht sogar ein viertes Mal aus, und Sie würden
drei, vier, fünf, vielleicht gar zehn Dutzend Makrelen
fangen – stellen Sie sich das mal vor.“ Der
Fischer nickt.
„Sie würden“, fährt der Tourist fort, „nicht nur
heute, sondern morgen, übermorgen, ja, an jedem
günstigen Tag zwei-, dreimal, vielleicht viermal ausfahren
– wissen Sie, was geschehen würde?“
Der Fischer schüttelt den Kopf.
„Sie würden sich spätestens in einem Jahr einen
Motor kaufen können, in zwei Jahren ein zweites
Boot, in drei oder vier Jahren vielleicht einen kleinen
Kutter haben, mit zwei Booten und dem Kutter
würden Sie natürlich viel mehr fangen – eines Tages
würden Sie zwei Kutter haben, Sie würden...“, die
Begeisterung verschlägt ihm für ein paar Augenblicke
die Stimme, „Sie würden ein kleines Kühlhaus
bauen, vielleicht eine Räucherei, später eine
Marinadenfabrik, mit einem eigenen Hubschrauber
rundfliegen, die Fischschwärme ausmachen und
Ihren Kuttern per Funk Anweisungen geben. Sie
könnten die Lachsrechte erwerben, ein Fischrestaurant
eröffnen, den Hummer ohne Zwischenhändler
direkt nach Paris exportieren – und dann...“, wieder
verschlägt die Begeisterung dem Fremden die
Sprache.
Kopfschüttelnd, im tiefsten Herzen betrübt, seiner
Urlaubsfreude schon fast verlustig, blickt er auf die
friedlich hereinrollende Flut, in der die ungefangenen
Fische munter springen. „Und dann“, sagt
er, aber wieder verschlägt ihm die Erregung die
Sprache.
Der Fischer klopft ihm auf den Rücken, wie einem
Kind, das sich verschluckt hat.
„Was dann?“ fragt er leise.
„Dann“, sagt der Fremde mit stiller Begeisterung,
„dann könnten Sie beruhigt hier im Hafen sitzen,
in der Sonne dösen – und auf das herrliche Meer
blicken.“
„Aber das tu’ ich ja schon jetzt“, sagt der Fischer,
„ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr
Klicken hat mich dabei gestört.“
Tatsächlich zog der solcherlei belehrte Tourist nachdenklich
von dannen, denn früher hatte er auch
einmal geglaubt, er arbeite, um eines Tages einmal
nicht mehr arbeiten zu müssen, und es blieb keine
Spur von Mitleid mit dem ärmlich gekleideten
Fischer in ihm zurück, nur ein wenig Neid.
Heinrich Böll, 1963
Im deutschen Ärzteblatt beschwert sich der Chefredakteur unter dem Titel „Man geht ins Risiko“, dass „in der vergangenen Woche weder die Impf - noch die Isolationspflicht in der Coronapolitik für irgendeine Sternstunde“ gesorgt hätten. Dabei weiß er sich bestärkt durch die Gesundheitsminister der Länder, die ebenfalls Kritik am Zurückfahren der Maßnahmen geäußert hätten. Auch darf er davon ausgehen, dass es viele Menschen-nicht nur aus den Gesundheitsberufen-gibt, denen die Abschaffung der „Maskerade“ sowie die Nichteinführung der allgemeinen Impfpflicht Angst macht oder zumindest suspekt erscheint. Zuletzt beschwert er sich selbst über die Bevölkerung, „die inzwischen bei politischen Coronaentscheidungen wohl gar nicht mehr hinhört“. Wen wundert's? Während er also ein „Klagelied“ anstimmt, frage ich mich, ob hinter der Entscheidung, das Maskentragen zu beenden und keine allgemeine Impfpflicht einzuführen eine Absicht stecken könnte. Wie jeder einzelne Mensch hat auch die Regierung, die Politik, die Medien usw. ein Motiv, in eine bestimmte Richtung zu handeln. Wie bei jedem einzelnen Menschen auch kann dieses Motiv, diese Absicht, durchaus unbewusst sein oder zumindest geleugnet werden. Nun könnte ich behaupten, dass hinter dem oben genannten das Motiv der Politik stecken könnte, den Unmut der Bevölkerung, der schon seit Monaten teilweise schwer nachvollziehbaren Regeln folgt und mit zunehmender Vehemenz die Aufhebung dieser fordert, zu beruhigen. Schließlich ist der Großteil der Bevölkerung geimpft, geboostert oder genesen. Zudem zeigt sich eine zwar sehr ansteckende Variante des SARS-CoV2 Virus Omikron, aber häufig mit leichten oder gar keinen Symptomen, selten mit schweren Verläufen (mit Hospitalisierung). Die Intensivstationen leeren sich zunehmend von schwerstkranken Coronainfizierten, so etwas wie Normalität scheint sich einzustellen. Die Menschen haben es satt, ihnen auferlegte Maßnahmen weiter zu dulden, sie begehren auf (zum Beispiel in Form des „Nicht mehr Hinhörens“). Dennoch könnte ein noch viel weitreichenderes Motiv hinter dieser Form der Politik verborgen sein: bereits zu Beginn der Pandemie wurde von führenden Virologen (Drosten, Streeck) über die Notwendigkeit einer Durchseuchung der Bevölkerung gesprochen, wohlwissend der Tatsache, dass Viren nicht wieder aus der Welt geschaffen werden können, sondern es einer Auseinandersetzung zwischen den Immunsystemen der Menschen und des Virus bedarf. Der Weg dorthin war es allein, wo sich die Geister scheideten. Sollte dies tatsächlich das Motiv gewesen sein? Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mehrere Aspekte hierfür sprechen:
1)seit Dezember 2022 verdrängte VOC Omikron zunehmend die Delta Variante. Omikron zeigt eine deutlich stärkere Ansteckungsfähigkeit bei weniger schwerwiegendem Verlauf
2)die mRNA Impfstoffe sind weniger wirksam gegen Omikron, so dass auch vollständig geimpfte Personen sich infizieren, symptomatisch und damit ansteckend werden können
3)es gab viele Versuche der Politik, Menschen, die sich bisher haben nicht impfen lassen, zu überzeugen. Der Erfolg dürfte allenfalls mäßig gewesen sein
4)rein rechnerisch haben sich von den 74 Millionen Bürgern, die sich haben impfen lassen können, ca. 57 Millionen gegen SARS-CoV2 grundimmunisieren lassen
(hierzu zählen auch die 5-11jährigen), was einer Impfquote von etwa 76 % entspricht
Idee: wie also die Leute, die sich nicht haben impfen lassen und auch nicht impfen lassen wollen, noch erreichen, bei der gleichzeitigen Sorge, schwerwiegende Verläufe nicht ausreichend eindämmen zu können? Omikron gab hier die Lösung vor: obwohl die Inzidenzen anstiegen, sank seit Dezember 2021 die Anzahl der auf Intensivstation behandelten Patienten (02.12.21: 4793, 23.12.21: 4382, 12.01.22: 3050, 06.02.22: 2350, 28.03.22: 2353, 16.04.22: 1743 – s. DIVI).
D.h., es gab keinen besseren Zeitpunkt als den jetzigen, die Maßnahmen zu beenden, um den „Rest der Bevölkerung“, die Bürger, die sich haben nicht impfen lassen wollen, mit dem Virus zu konfrontieren und damit ganz nebenbei die Durchseuchung zu vervollständigen!
P.S.: Glauben Sie wirklich, dass es in Zukunft wieder eine gefährlichere (höhere Sterblichkeit) Variante von SARS-CoV2 gibt? Bisher waren die Viren auf diesem Planeten immer erfolgreich, die sehr infektiös und gleichzeitig harmlos waren. Warum sollte sich das ändern?
Viele im Internet und von öffentlichen Trägern (auch manche "christliche Patientenverfügung") zur Verwendung gestellten Patientenverfügungen sind quasi über Nacht wertlos geworden.
Die Corona Neurose ist eine noch nicht beschriebene und deshalb neue Form der krankhaften Auseinandersetzung mit einer bestimmten Materie. Grundlage bildet die misslungene Ver- und Bearbeitung des Themas "Corona" und das damit verbundene Infektionsgeschehen durch SARS-CoV2. Vorschlag ICD - 10: F40.3 (fällt damit unter die Phobischen Störungen)
Symptome (Dauer mindestens 6 Wochen):
Es ergeben sich Überschneidungen mit den Krankheitsbildern der Zwangsstörung, Suchtstörung und Phobie.
Allem übergeordnet ist der verzweifelte Versuch, der Angst vor Ansteckung Herr zu werden bei gleichzeitiger intensiver Beschäftigung mit dem Thema. Letzteres kann Suchtcharakter annehmen. Dabei zeigen Patienten typischerweise eine kurzweilige Besserung ihrer Beschwerden zu Beginn der Beschäftigung mit dem Thema (vor allem nimmt die Unruhe zunächst schlagartig ab) und eine deutliche Verschlechterung der Symptomatik bei plötzlicher (ungewollter) Beendigung.
Die Symptomatik der Vermeidung (was ein typischer Abwehrmechanismus auch bei Phobie und Zwangsstörung sein kann) zeigt sich dadurch, dass Gegenstände und Berührungspunkte des Alltags mehrmals gereinigt und desinfiziert und jeglicher Körperkontakt gemieden wird. Soziale Kontakte werden überwiegend vermieden, wobei sich gerade hier die für eine Neurose so typische Widersprüchlichkeit darstellt: auf der einen Seite werden Ansteckungen außerhalb des Hauses oder der Wohnung als übermäßig eingeschätzt, im Privaten unter Angehörigen hingegen maßlos unterschätzt. Dieser typische Abwehrmechanismus, den es auch bei einer Phobie oder Zwangsstörung gibt, heißt Verleugnung. Anders kann es nicht beschrieben werden, denn die weit aus meisten Infektionen werden laut RKI im privaten Bereich festgestellt.
Wie bei einer Zwangsstörung oder Phobie steht auch hier das Thema Kontrolle weit im Vordergrund. So ist es nicht verwunderlich, dass der Patient jegliche Möglichkeit nutzt, sich testen zu lassen. Dabei beruhigt das Ergebnis zunächst, was bei Menschen mit einer Phobie ebenfalls geschieht. Doch hält diese Gewissheit nicht lange an, so dass wieder und wieder kontrolliert/getestet werden muss.
Ebenfalls auffällig ist die unkritische Haltung gegenüber Anordnungen. Eher dankbar als verständnislos reagiert der Patient, wenn er seine Einschränkungen noch perfektionieren kann (Frage Autoaggressivität). Hier zeigt sich auch ein nur schwer nachvollziehbarer Gehorsam gegenüber Autoritäten (Abwehrmechanismus "Identifikation mit dem Angreifer").
Da politisch das Testen gegen die Angst vor Corona propagiert wird, kann davon ausgegangen werden, dass sich in der Bevölkerung eine zunehmende Diskriminierung "Testverweigerern" gegenüber entwickelt.
Es ist eine verrückte Zeit, in der wir gerade leben. Eine Zeit, wo das Verrückt sein gefeiert wird, wo es salonfähig gemacht wird. Die Newtonschen Gesetze scheinen außer Kraft gesetzt, weil Menschen – wie du und ich – von der Angst gepackt, ihr Großhirn, den „Frontalcortex“ scheinen ausgeschaltet zu haben und nun nur noch als Affen – also im Zwischenhirn – leben. Die Fähigkeit des Menschen (ursprünglich als Krone der Schöpfung deklariert), über sich, seine Gedanken, sein Handeln und Fühlen zu reflektieren, ist „out of order“. Wie Kinder können die Menschen nur noch von Augenblick zu Augenblick, von Verschärfung der Maßnahmen zur nächsten Verschärfung, von Booster zu Booster leben, vorausschauend handeln ist schier unmöglich geworden. Das hat natürlich Folgen, wie das „social distancing“, dass paradoxerweise als „Solidarität“ propagiert wird, aber Rücksichtslosigkeit gegenüber Andersdenkenden meint. Die Spaltung der Gesellschaft wird gefeiert, es gibt nur eine „Vernunft“ und die wird von der Politik vertreten. Da liegt es leider nicht ganz fern, ca. 75 Jahre zurückzudenken, in eine Zeit, wo schon einmal Andersdenkende aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden. Auch damals liefen Heere von Menschen einer Politik hinterher, die ein klares Feindbild propagierte. Auch da war es eine Angst entweder vor dem so benannten Feind (die Juden) oder die Angst vor den Schergen der Politik (SS), die ohne Rücksicht auf Verluste ihren Willen durchsetzten. Heute ist es eben das Virus und die damit verbundene Gefahr, damals der Jude und die damit vermeintlich verbundene Gefahr. Böse, werden Sie vielleicht jetzt denken, doch zu diesem Zeitpunkt, wo die Politik selbst Ärzten keine Wahl mehr lässt, ziehe ich ganz bewusst diese Analogie. Die Politik schreibt uns vor, dass wir uns impfen lassen müssen. Sie behauptet – wie sie jedem Bürger diesen Staates es auch zuschreibt – wir sein nicht selbst in der Lage, für uns zu sorgen. Misstrauen gegenüber den Bürgern paart sich hier mit dem gnadenlosen Bevormunden des Bürgers, der naiverweise auch meint, dass es der Staat „nur gut meint“. Solche Verleugnungen eigener nicht gesellschaftsfähiger Motive (nämlich die Ausgrenzung von Menschen, die widersprechen) finden wir als Psychotherapeuten und Ärzte immer wieder bei unseren Patienten. Wir leben gern in dieser Kultur, die christlich gestaltet, „nur auf das Wohl des Nächsten“ aus ist und anerkannt wird . Dass jeder von uns – und das ist übrigens kein Geheimnis und gehört zu uns Menschen – ganz eigene auf sich bezogene Beweggründe hat, warum er in einer bestimmten Art und Weise handelt, wird gern verleugnet, weil die Gesellschaft dies als „egoistisch“ oder selbstbezogen, als verwerflich deklariert. So bleibt auch der Politik kein anderer Ausweg, als rücksichtslos, übergriffig und hässlich zu reagieren. Leider sind auch Ärzte selber dabei, die diese Politik vollends unterstützen wie einst im dritten Reich. Ich frage mich, wie sie selbst mit den Demütigungen gegenüber Andersdenkenden wie denen, die sich haben nicht impfen lassen, fertig werden. Jeder Arzt, der Patienten abweist, weil er Angst vor „den Ungeimpften“ hat, ihnen vorwirft, sie hätten allein Schuld an der Misere, dürfte doch irgendwo in seinem Gewissen eine Vorstellung haben, wie es diesen Menschen ergeht. Klar hilft für eine bestimmte Zeit Verdrängung, doch mit der Dauer und der Häufigkeit der Konfrontationen, bricht auch dieses Erleben ins Bewusstsein...
Am Ende diesen Beitrags zitiere ich Konrad Lorenz, Zoologe und Verhaltensforscher:
„Der Übergang vom Affen zum Menschen sind wir“
Eine Erkenntnis, die jedem von uns bekannt sein dürfte, die jeder schon implizit weiß, weil sie ein stetiger Begleiter unseres Lebens ist und an uns vielleicht haftet wie eine Klette, auch wenn sie sich äußerlich in immer neuen Gewändern zeigt, gegen die wir uns mal heftig wehren, auch wenn wir ahnen, dass sie unumgänglich ist, mancher nur unter Psychotherapie bereit ist, sie anzunehmen, da sie so schmerzhaft sein kann und ja, tatsächlich manchen dazu bringt, sein Leben zu beenden, ist, dass wir Altes loslassen müssen, um Raum für Neues zu schaffen. Wir müssen aufgeben, Aufgaben abgeben, von Dingen ablassen, andere wieder zulassen, diese wieder lernen, anzunehmen, um nach einer Zeit wieder zu erkennen, dass wir uns im gleichen stetigen Kreislauf befinden: der Entwicklung, der Wandlung. Ohne Versagen, ohne Scheitern, ohne Fehler zu machen haben wir kaum die Möglichkeit, diese Erkenntnis zu erlangen. Es ist urmenschliches Wissen, dass die Welt sich unaufhaltsam verändert, ob wir wollen oder nicht. Unsere Fähigkeiten, daran etwas zu verändern, sind sehr, sehr begrenzt. Zu gern geben wir uns der Illusion hin, tun wir so, als ob das Leben unbegrenzt wäre. Trotz der mittlerweile sehr begrenzten Ressourcen, der Notwendigkeit, an unserem Lebensstil etwas zu verändern, leben viele von uns in "Saus und Braus": Lassen keine Feier aus, müssen das neueste Auto fahren, die neuesten Technologien nutzen, die ganze Welt bereisen, auch wenn wir ihr in dem Maße nicht gut tun. Und doch ist es für viele Menschen so schwierig, von alten, vielleicht überholten Dingen zu lassen, weil sie sie so unheimlich lieb gewonnen haben, sie zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden sind. Und doch müssen wir uns gerade davon (garantiert eines Tages) schweren Herzens verabschieden. Wer schon einmal einen Menschen verloren hat, der kann davon "ein Lied singen". Letztendlich müssen wir – gottgegeben – auch unser eigenes Leben aufgeben. Mit dem Aufgeben, mit dem Scheitern, mit dem Versagen, gewinnen wir aber ganz viel neu: ein Leben ohne das Liebgewonnene – stellen wir fest – ist möglich. Wir stellen fest, wir haben uns aus einer Abhängigkeit gelöst. Und noch größer: durch das Lösen aus dieser Abhängigkeit haben wir Freiheit gewonnen. Und durch diese Freiheit kann nun unser Leben um einen ganz neuen Mittelpunkt gestaltet werden. Und das Besondere: jeder von uns ist es selber, der dieses, sein Leben beginnt, neu zu gestalten, neu zu konstruieren. Es ist ein Raum durch das Loslassen entstanden, der mit einem neuen Sinn, einer neuen Bedeutung gefüllt werden darf. Wir sind nun für einen kurzen Augenblick ein Akteur, der auf alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen blicken und greifen darf. Und noch darüber hinaus: unser Blick bleibt nicht nur auf unsere Kraftquellen begrenzt, wir werden "offen für Neues", sehen über unsere bisher begrenzte Perspektive hinaus, unser Blick ist quasi weiter geworden.
Somit steckt in dieser Erkenntnis ein ganz, ganz großer Gewinn und der heißt "Leben". Jesu Sterben und sein Leiden am Kreuz, schließlich die Wiederauferstehung zu Ostern bringt auf symbolische Art und Weise uns diese Erkenntnis nahe, nämlich direkt in unser Leben.