Regression im Sinne des Ich`s:

Regression bedeutet die unter Umständen ganzheitliche (also emotionale, physische, mentale und soziale) Rücknahme/Rückbesinnung auf einen früheren Entwicklungszustand. Dabei meint Regression nicht generell ein krankhaftes Verhalten, was sich im Ausdruck „… im Sinne des Ich`s“ (wird weiter unten erklärt) widerspiegelt. Im Gegenteil: sie ist für uns als gesunde Form viel häufiger erlebbar.

Die gesunde Form:

So verhalten wir uns ganz menschlich typisch und vernünftig (soweit die wissenschaftlichen Untersuchungen das belegen), wenn wir uns krank fühlen (z.B. im Rahmen eines grippalen Infektes), dass wir uns zurückziehen, uns ausruhen, uns um unseren Körper kümmern, ihn entlasten (z.B. dann keinen Sport treiben) und uns auch von der Arbeit freistellen lassen (zu dem Ärzte uns legitimieren; die ihrerseits vom Gesetzgeber legitimiert werden, dies zu tun). Auch schützen wir uns auf diese Art und Weise vor belastenden oder schädigenden Einflüssen (Stress mit Ehepartner, Lärm auf der Arbeit, Auseinandersetzungen im Team…). Schon Freud erkannte, dass wir uns in Zeiten der Krankheit unbewusst gern an einen Ort und an eine Zeit zurücksehnen, der dem Aufenthalt im Bauch der Mutter entspricht. „Wunderbar geborgen“.

Es gibt allerdings einen noch viel häufigeren Zustand der Regression, den jeder kennt und täglich erleben darf: das Zubettgehen, um zu schlafen. Hier regredieren wir soweit, dass unser gesamtes Bewusstsein abgeschaltet wird. Dabei gehen wir in einen Zustand der Basisversorgung über, wo Bewusstsein nicht mehr notwendig ist. Hier ist nur noch unser primäres oder vegetatives Nervensystem aktiv, das Nervensystem, was wir mit anderen Säugetiere teilen. Freud nannte diesen Zustand den „Primärprozess“. Hier gibt es keinen Raum, keine Zeit, keine Widersprüche, alles ist möglich. Alles kann gleichzeitig bestehen und sein. Das uns wohl vertrauteste Erscheinungsbild des Primärprozesshaften stellen unsere Träume dar. Dem entgegen steht unser Bewusstsein als Ausdruck des „Sekundärprozesses“, das u.a. physikalischen und damit auch physischen Gesetzen unterliegt, wo Dinge der Logik vorherrschen, Raum und Zeit beschreibbar sind.

 Kennzeichen der Regression sind:

1)Rückzug aus dem sozialem Gefüge, Beziehung etc...

2)...an einen Ort des Schutzes/der Sicherheit…

           2a)…,wo teilweise oder ganzheitliche Entlastung (emotional,  

                     physisch,mental) möglich...

           2b)… und an dem Geborgenheit und Fürsorge garantiert erscheinen

3)...vor den eigenen/fremden Erwartungen/Verpflichtungen

Sinn jeder gesunden Form der Regression ist das Kraft – und Energiesammeln, „den Akku aufladen“, um den täglichen Erfordernissen, die unsere Welt mit sich bringt, gewachsen zu sein.

 

Im Sinne des Ich`s“ steht die Regression allerdings nur solange sie dem „Ich“ hilft, es stützt oder schützt. Gemeint ist hier, dass von der gesunden Form die krankhafte zu trennen gilt. Das Ich ist der Ort der Persönlichkeit, der Fähigkeiten, der Bedürfnisse, der Wünsche. Hier finden sich die Logik, die Vernunft, die Beziehungsmuster, die Struktur der Persönlichkeit und vieles mehr.

Meist „hapert“ es an der Persönlichkeitsstruktur, die Selbstwert, Gefühle, Beziehungsgestaltung und Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit und des anderen reguliert. Gerade heute stehen häufig Frustration -, Angst – und Affekttoleranz auf der Mängelliste hoch im Kurs (siehe dazu die zunehmende Zahl „psychisch kranker Schüler“). Für den einen ist Krankheit schwer zu ertragen („vermeidbares Übel“), für den anderen ein Hoffnungsschimmer („willkommene Abwechselung“).

Regression als krankhafte Form

Bedingung dafür, Regression als krankhaft zu bezeichnen, setzt voraus, dass Symptome auftreten, die nicht mehr im Sinne des Ich`s sind. Dazu zählen:

1)Schuldzuweisung

2)Selbstvorwürfe

Beides stützt oder hilft dem Ich nicht.

wegen mir müssen die anderen mehr arbeiten“ oder „mein Partner hat schon genug um die Ohren, jetzt werde ich auch noch krank“ (Thema Schuld)

Mensch, reiß dich zusammen, bist doch ein Mann“ oder „ich hatte schon keinen Vater, der für mich immer da war, und jetzt falle ich auch noch aus“ (Thema Selbstwert)

Im Gegenteil: es verhindert die Genesung und kann über längere Dauer direkt in eine Depression führen. Selbstvorwürfe haben die Eigenschaft, den Betroffenen klein zu machen. Einem „Kleinen“ allerdings traut man ja auch nicht mehr zu „wozu bin ich dann noch nütze“. „Mich braucht eh niemand“.

Regression und Krankheitsgewinn

Der sekundäre Krankheitsgewinn ist nicht selten ein Grund, weswegen Menschen in der Regression verbleiben.

Wenn der Arbeitnehmer trotz offensichtlicher Gesundung nicht gesund sein möchte. Wenn der anfangs depressiv erscheinende Patient trotz medikamentöser oder Psychotherapie nicht heil werden will. Wenn der nach einem rechtzeitig verhinderten Herzinfarkt zunächst krankgeschriebene Selbständige sich nicht mehr in der Lage fühlt, wieder seine Geschäfte aufzunehmen. Wenn der Schüler seine Schulangst trotz Gesprächen mit dem Schulpsychologen und den Eltern nicht los wird. Wenn das Kind, obwohl die Eltern so sehr bemüht sind, die richtige Diät für es zu finden, trotz dem weiter an Bauchschmerzen leidet.

Dann spielt der sekundäre Krankheitsgewinn mit größter Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Rolle. Kurze Erläuterung: einen primären Krankheitsgewinn haben wir, wenn unsere Angst vor der Schule zur Vermeidung des Besuches führt. Einen sekundären Krankheitsgewinn haben wir, wenn wir dann noch erleben, dass sich die Umgebung (Mutter, Vater o.a.) vermehrt kümmert.

Der schwergradig erkrankte Depressive zieht sich aus allen Beziehungen zurück: Ob Arbeit, soziale Beziehungen. Sein primärer Gewinn besteht darin, dass er keine Entscheidungen mehr treffen, also keine Verantwortung bzw. Schuld übernehmen muss. Sein sekundärer Krankheitsgewinn besteht in der Reaktion der Umgebung: die Zuwendung und Verantwortungsübernahme!

Die Lösung ist die Aufdeckung der dahintersteckenden Verstrickung von Fürsorgewünschen und Wertschätzung einerseits und der Angst vor Verantwortungsübernahme und Selbstbestimmung andererseits.