Es gibt verschiedene Strategien in der psychotherapeutischen Arbeit, den psychotherapeutischen Prozess in Gang zu bringen. Hier stelle ich Ihnen die Arbeit mit dem Inneren Kind vor.

 

Der Begriff des Inneren Kindes ist vielen Klienten bereits vor Therapiebeginn bekannt, schon deswegen wohl, weil intuitiv jeder erahnen dürfte, was gemeint ist: der eine nennt es “meine innere Stimme“, „die Stimme in mir” oder „mein Bauchgefühl“. Es ist das, was fernab vom logischen Denken in uns existiert oder anders ausgedrückt, die Irrationalität jeder Persönlichkeit per se darstellt.

Dennoch möchte ich hier ein paar kurze Anmerkungen zur Definition hervorbringen:

 1)Das Innere Kind als lebendige Vorstellung, Abbild oder Gedächtnisspur, quasi als Fotografie der ersten Lebensperiode, der Kindheit (“so war ich”)

2)Das Innere Kind als Erlebniswelt, als die Summe aller Impulse, Gefühle und Erfahrungen mit allen seinen Kränkungen, Bestrafungen und Selbstvorwürfen (“das habe ich erlebt”)

3)Das Innere Kind als Bindungspartner, das im Hier und Jetzt nackt und unverhohlen dem Erwachsenen sein Erleben und seine Bewertung präsentiert (“das ist meine Haltung”)

Hier in Anlehnung an die Freud`sche Triebtheorie am ehesten das “ES

4)Das Innere Kind als Ressourcenquelle (“das sind meine Pfeiler”)

5)Das Innere Kind als Äquivalent zu allen ersehnten, aber nicht gelebten Bedürfnissen und Wünschen (“das hätte ich gern”)

 

Voraussetzungen für die Arbeit mit dem Inneren Kind sind:

a)ausreichend Fantasie und Vorstellungskraft

b)ausreichende psychische Stabilität (eine schwere depressive Episode oder eine ausgeprägte Angststörung stellt eine Kontraindikation dar)

 In einem ersten Schritt werde ich Sie als Psychotherapeut auffordern, sich in zwei Personen zu denken (zu spalten): das “Erwachsenen Ich” und das “Kind Ich” (im folgenden Inneres Kind). In einem zweiten Schritt folgt dann die Aufnahme eines Dialogs zwischen Ihnen und Ihrem Inneren Kind, zwischen Psychotherapeut und Ihnen oder auch zwischen Psychotherapeut und Ihrem Inneren Kind. Dabei geht es nicht nur um das Erkunden der Erlebniswelt des Inneren Kindes, sondern auch und vor allem um den Umgang des Erwachsenen mit dem Inneren Kind und umgekehrt. Da ich mit der Bindungstheorie (s. dort) arbeite, findet sich häufig hier bereits schon der Ausdruck des gesamten Krankheitsgeschehens. Denn der Schlüssel zu diesem Vorgehen ist so einleuchtend wie auch einfach: Sie als Klient gehen häufig mit Ihrem Inneren Kind genauso (z.B. desinteressiert) um, wie ursprünglich ihre Eltern/Vater/Mutter als Erwachsene mit Ihnen (z.B. desinteressiert) umgegangen sind. So werde ich Sie in einem dritten Schritt bitten, sich jeweils in die eine wie in die andere der beiden Personen hineinzufühlen. Dieser Switch kann relativ mühsam sein, da sich meistens aus Richtung des Erwachsenen Ich eine Art Sperre (in der Psychotherapie als Widerstand bezeichnet) zeigt, um eben nicht in die Erlebniswelt des Inneren Kindes vorzudringen. Dieser Widerstand ist eine Art Schutz, um das Nachaußendringen von unangenehme Gefühlen (z. B. seelischer Schmerz des Inneren Kindes) in die Erlebniswelt des Erwachsenen zu verhindern. Gleichzeitig ist allerdings die Verbindung der beiden miteinander die Lösung der Schwierigkeiten in der Beziehung und damit Ihres Krankheitsgeschehens. Anders ausgedrückt: Kommen Ihr Inneres Kind und Sie zusammen, ist bereits ein großer Schritt im psychotherapeutischen Prozess vollzogen. Das Ziel nämlich ist, dass Sie Verständnis für das Erleben und das Erlebte Ihres Inneren Kindes erfahren. In einem letzten Schritt gilt es dann nach Ihrem Inneren Kind zu gucken, in wiefern es nun Vertrauen zu Ihnen als Erwachsenen gefasst hat. Sollte dieses noch nicht erreicht sein, wiederholen sich die letzten Schritte so lange, bis das Ziel erreicht ist:

 

 1)Verständnis (Verständnis meint hier ausdrücklich das umfangreiche Verstehen einschließlich des Einfühlenkönnens) des Erwachsenen in das Innere Kind und

2)Vertrauen des Inneren Kindes in den Erwachsenen

 Nebenbei:

Es gibt ein organisches Korrelat, was unter der Arbeit mit dem Inneren Kind profitiert: die Verbindung zwischen dem limbischen System (Inneres Kind) und dem präfrontalen Kortex (Erwachsenen Ich). Durch den psychotherapeutischen Prozess werden neue Verbindungen zwischen diesen beiden Zielorten geknüpft, erneuert bzw. alte intensiviert.