In der Psychotherapie stellt das Thema Abschied einen integralen Bestandteil des Reifungs-und Entwicklungsprozesses des Klienten dar. Denn Abschied setzt voraus, dass der Mensch ein sicheres und stabiles Bild von seinem Gegenüber, dem anderen,-wie wir es nennen-dem Objekt entworfen hat. Dies ist allerdings nur möglich, wenn das Individuum eine halbwegs sichere Bindung zu seinen primären Bezugspersonen erfahren haben durfte. Trifft dies nicht zu, verliert das Bild vom Gegenüber an Stabilität und Sicherheit, es werden nur Aspekte der Persönlichkeit, ein ganz unscharfes Bild entwickelt. Dieses unscharfe Bild-ähnlich einem unvollständigen Puzzle-schaffen wir Menschen kaum zu integrieren. Es fehlt was, und so scheint unser Geist zu funktionieren, was ergänzt oder zum Abschluss gebracht werden muss, bevor wir es wieder aufgeben können.

Und so funktioniert dann Psychotherapie: zunächst müssen die fehlenden Puzzleteile oder Lücken entdeckt werden. Übersetzt heißt das, der Klient darf lernen, genau hinzusehen, um sein Verleugnen, seine Spaltung oder seinen Verdrängungsprozess aufzugeben. Die Entdeckung dieser fehlenden Puzzleteile ist üblicherweise ein sehr schmerzhafter seelischer Akt, dem Klienten wird das unscharfe Bild und der damit erfahrene Mangel (an Fürsorge, Sicherheit, Autonomie, Loyalität, Individuation etc.) bewusst. Die Bewusstwerdung des Mangels und die damit verbundene Unabänderlichkeit der eigenen Geschichte erzeugen den Wunsch, das Verlangen, die Situation im Hier und Heute zu korrigieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies gelingt, tendiert gegen Null. So bleibt dem Klienten nur, diese ursprüngliche nicht erlebten Bedürfnisse oder Wünsche mit den damit verbundenen Gefühlen (in erster Linie Trauer und Wut) aufzugeben. Trauer und Wut sind schließlich probate Mittel, den Abschiedsprozess erfolgreich zu meistern.

In jeder Psychotherapie spielt Abschied eine Rolle. Manchmal steht dieser ganz zentral im Fokus und wird von Beginn an bearbeitet. Psychotherapie muss auch dem Abschied eine so immens wichtige Bedeutung geben, da sie selbst irgendwann endet, der Klient mit dem Abschied sein Leben selbst meistern muss. So sollte der Klient von dem Therapeuten im Rahmen der Psychotherapie ein zunehmend klares und stabiles Bild erhalten, damit Abschied gelegt. Eine Herausforderung stellt die Angst des Klienten dar, sich in ein Abhängigkeitsverhältnis zu geben, dass er so antizipiert, ohne Therapeuten nicht mehr klar zukommen. So achtet der Therapeut darauf, dass der Klient seinen Wunsch nach Autonomie bei gleichzeitigem Wunsch nach Fürsorge und Sicherheit in Balance hält. Das Gelingen des Abschieds stellt insofern die Arbeit des Therapeuten und das Bild über sein Beziehungskonstrukt infrage und zur Bewertung frei.