Im Rahmen der Digitalisierung besteht seit 01. Juli 2021 für Hausärzte die Pflicht, auf Wunsch des Patienten für diesen eine elektronische Patientenakte (ePA) anzulegen. Das heißt, jeder Patient, der so eine ePA haben möchte, darf zu seinem Hausarzt gehen und dies von der Praxis verlangen. Seit Januar diesen Jahres besteht bereits - nach den Wünschen von Herrn Spahn - diese Möglichkeit. Interessanterweise hat sich allerdings bis heute kein einziger Patient in der Praxis bezüglich ePA erkundigt. Das dürfte daran liegen, weil viele nicht wissen, warum sie das tun sollten. Die meisten Patienten (Umfrage 2018: 80%) sind nämlich mit der medizinischen Versorgung durch ihren Hausarzt zufrieden.Nun könnten Sie annehmen, dass sich das fehlende Interesse nur in unserer Praxis niedergeschlägt. Weit gefehlt - Sie aber wissen, warum Sie so eine elektronische Patientenakte anlegen sollten? Nein? Nun, ich auch nicht. Herr Spahn erhofft sich durch die ePA mehr Sicherheit und Verbesserung in der medizinischen Versorgung. Sagt er. Nun ja, was er nur zögerlich hinzufügt ist, dass er die Daten zu Forschungszwecken nutzen möchte. Sozusagen, ohne Sie zu fragen. Natürlich alles freiwillig. Nicht ganz. Der Sachverständigenrat (SVR) hat ihm nun aufgrund des fehlenden Interesses des Bürgers empfohlen, mittels Opt-out Verfahren die Einführung der ePA voranzutreiben.  Dann stimmen Sie auch ohne bewusste Zustimmung zu. Opt-out bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass sie Interesse haben. Beispiel: Das Einwerfen von Werbung in Ihren Postkasten wurde auch durch ein Opt-out Verfahren eingeführt: Der Gesetzgeber geht schlichtweg davon aus, dass Sie Werbung haben wollen. Was Sie dagegen tun können: Aktiv widersprechen! Ansonsten wünscht sich der SVR ein doppeltes Opt-out Verfahren. Dies bedeutet wiederum, dass schon mit der Geburt eine ePA angelegt wird und die Eltern dem nicht (!) widersprechen können. Das Kind kann erst mit dem 18. Lebensjahr aktiv widersprechen. Bis dahin sind seine Daten allerdings gesammelt.

Wichtiger Hintergrund: Frankreich war bei einem ähnlichen Projekt mit Opt-in gescheitert. Zu wenig Bürger hatten dieses Projekt befürwortet. Nach meiner Kenntnis will nun Frankreich quasi mittels Opt-out die Zustimmung der Bürger umgehen.

Was ist der Haken? Daten, meine lieben Leser. Daten, Daten, Daten. Wir Ärzte brauchen diese vielen unselektierten Daten überhaupt nicht. Auch was Ihre medizinische Versorgung betrifft, brauchen wir die meisten Daten nicht. Im Gegenteil: wir haben jetzt schon zu viel des Guten. Was muss ich mich durch die Berichte "ackern", um endlich das, was ich brauche, gefunden zu haben. Selbst die Forschung braucht nur marginales Datenmaterial. Aber wer Daten hat, der hat eben auch Macht. Es geht also schlichtweg um den gläsernen Patienten. Sie werden vorhersehbar und damit manipulierbar. Wollen Sie z.B. regelmäßig Schreiben zur Gewichtsreduktion, Rauchentwöhnung oder Entspannungsübungen Ihrer Krankenkasse erhalten, weil sie übergewichtig oder depressiv sind oder an einer Angststörung leiden oder rauchen? Am besten gleich noch mit dazugehörigen Leistungserbringern wie Kliniken oder Therapeuten. Was ist, wenn Sie das Angebot ablehnen? Wie oft werden Sie dann "tracktiert", um endlich nachzugeben und das durchführen, was Sie eben nicht wollten? Selbst die Befürworter von "Digital health" geben zu: "Ein weiterer wichtiger und schwerwiegender Faktor ist das Thema Datenschutz. Im Gesundheitsbereich werden sehr persönliche und sensible Daten verarbeitet und gespeichert. Diese auf einer zentralen Plattform für viele Leute zugänglich zu machen kann durchaus zu Problemen führen. Allerdings muss hier eine Abwägung zwischen Risiko und Nutzen getroffen werden. Gerade wenn es um eine allgemeine Unterstützung von präventiven Behandlungen und Big Data insgesamt geht, können diese Daten aber auch ohne einen Bezug zu der betroffenen Person gespeichert werden. Hier werden Kompromisse notwendig sein".

Wenn ich Sie zum Nachdenken gebracht habe, dann lesen Sie vielleicht mal im Buch "künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens" von Richard David Precht, einen relativ populären Philosophen unserer Zeit. Das Gesetzesvorhaben dient meines Erachtens - wie viel bei Herrn Spahn - der eigenen Profilierung. Wollen Sie mitdiskutieren? Dann schreiben Sie mir!