Es gibt wohl keine größere Illusion dieser Tage, als der Ansicht zu sein, die Pandemie durch das Virus SARS-CoV2 könne man beherrschen. Nach Alpha, Beta, Gamma, Delta folgt nun die Omikron Variante. SARS-CoV2 zeigt mittlerweile weltweit über 1000 verschiedene Varianten bzw. Mutationen, wobei die eben genannten als die „bedrohlichen Varianten“ (VOC`s = variant of concern) bezeichnet werden, weil sie das Pandemiegeschehen nachweislich vorantreiben und beherrschen. Spätestens mit Omikron dürfte den meisten Menschen klar werden, dass letztendlich SARS-CoV2 ein nicht mehr kontrollierendes Phänomen darstellt, das zu unterschiedlichem Agieren von Staaten bzw. Regierungen führt. Diese handeln überwiegend aus der Ohnmacht heraus, was daran erkennbar wird, dass teilweise nicht nachvollziehbare Maßnahmen unterschiedlichster Art einmal aufgehoben, ein andermal verschärft werden. Es wundert deshalb nicht, dass daraufhin Menschen irritiert und verärgert reagieren, den Staatsführungen Willkür und Machtstreben unterstellen. Es sind ebenfalls Ohnmacht und Hilflosigkeit, die die Spaltung der Gesellschaft fördern. Durch fehlende Toleranz Andersdenkender fördern Regierungen die Radikalisierung einzelner Gruppen. Inwiefern diese wirklich etwas in Bewegung setzen können, sei dahingestellt. Die Radikalisierung verstärkt eher die Grenzziehung, verhindert Austausch. Sollten allerdings bisher mit der Meinung der Staatsführung konformlaufende Bürger ein Gefühl dafür entwickeln, welches Motiv Regierungen wirklich antreibt, kann es gut möglich sein, dass Auflagen oder Maßnahmen bewusst torpediert werden.
Um welches Motiv handelt es sich? Meines Erachtens handelt es sich um das Motiv, die Angst vor dem Scheitern der Staatsführungen in der Pandemie in den Köpfen der Bürger nicht bewusst werden zu lassen. Und dafür gibt es ja auch gute Gründe: viele Menschen vertrauen den Oberen, sind der Ansicht, dass diese es (die Pandemie) „im Griff haben“. Dieser Denkfehler wird gern auch als "authority bias" bezeichnet und beschreibt den Umstand, dass wir die Neigung haben, unseren Vorgesetzten/Chef`s/Teamleitern/Bürgermeistern usw. in der Not ausreichendes Verantwortungsgefühl zuzuschreiben. Es gibt uns das Gefühl von Sicherheit, was wiederum Ängste hemmt und Mut fassen lässt. Wir stellen uns einen Hirten vor, der die Herde auf grüne Auen führt oder einen Kapitän, der das Schiff in unruhiger See sicher in den Hafen manövriert. Werden diese Bürger mit diesem Denkfehler konfrontiert, sind es meist Ängste, die sie davon abhalten, über die daraus folgenden Konsequenzen nachzudenken. Zu groß ist die Angst, sich seiner eigenen Verantwortung bewusst zu werden und daraus zu handeln. Deutschland ist diesbezüglich kein unbeschriebenes Blatt (siehe erster und zweiter Weltkrieg), weswegen wir Bürger dieses Staates aus diesem Wissen heraus Kritik besonnen äußern sollten. Sollte also dieses Motiv in den Köpfen der Bürger lebendig werden, dürfte es massive Schuldzuschreibungen geben, unter Umständen mit der Folge, dass Minister (oder gar eine ganze Regierung?) entlassen werden. Eine Staatsführung kann also gar nicht daran interessiert sein, ihr wahres Motiv aufzudecken.
Die Pandemie ist-und ich behaupte war-zu keinem Zeitpunkt beherrschbar. Das Virus ist viel „zu schlau“, als dass es sich durch Impfungen oder social distancing einschüchtern lassen würde. Wie bereits der Virologe Prof. Drosten im Frühjahr 2020 anmerkte, sei das wesentliche Ziel in der Pandemie, „flatten the curve" (zu deutsch: das Abflachen der Kurve der Infizierten) und nicht der Sieg über das Virus. Virologen sind zumindest in einem Punkt einig: das Virus wird nie wieder verschwinden, es wird uns immer begleiten. Wie bei anderen Viren (Herpes, Ebstein-Barr-Virus, Zytomegalie usw.) wird eine Durchseuchung der Bevölkerung anvisiert. Denn Viren verschwinden nicht, sie koexistieren mit menschlichen Organismen. Dabei geht es in dieser Pandemie letztendlich um „das Verhandeln“ des Miteinanders. Bei mikroskopischer Betrachtung verhandeln hier die Immunsysteme der Menschen mit dem Genom des Virus.
Das Aufgeben der Illusion von der Beherrschung der Pandemie ist dringend erforderlich und notwendig, da zur Aufrechterhaltung der Illusion derzeit unzählige Ressourcen (soziale, wirtschaftliche, psychische) vergeudet werden. Zunächst gilt es, das Scheitern der Staatsführung in der Pandemie offen zu legen und anzuerkennen. Dann sollte im Parlament und öffentlich über vermeintliche Fehler reflektiert und zukünftige Strategien entwickelt werden. Hierbei wird wesentlich sein, darauf zu achten, dass Regierende zukünftig neben der Beachtung der Wissenschaft nicht den Menschen außer Sicht verlieren. Parallel dazu sollten alle Kräfte gebündelt werden, um den körperlich und/oder seelisch kranken Menschen (ob infolge der Infektion oder infolge der Maßnahmen) in ihrer Not Unterstützung anzubieten.